Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.


1. September 2004

In Polen fängt heute, am ersten September, die Schule wieder an und die Kleinen haben ihren ersten Schultag. So ist es Tradition in Polen und wurde immer so gehandhabt. Nein, nicht immer, im Jahr 1939 endete die Schule wie üblich im Juni mit dem Beginn der Sommerferien, danach begann aber kein neues Schuljahr mehr für die Kinder in Polen.
Am 1. September 1939 wurde die Republik Polen von der deutschen Wehrmacht überfallen und Polen in wenigen Wochen besetzt.
In dieser Zeit bis 1945 verlor Polen ein Fünftel seiner Bevölkerung, ungefähr 10 Prozent durch Kriegshandlungen, den überwiegenden Teil aber durch Terror gegen die Zivilbevölkerung und die geplante Ausrottungspolitik Nazideutschlands.
Deshalb wird seit 1945 in Polen an jedem 1. September den Opfern des Krieges gedacht, in jeder Stadt und in jeder Schule.
Der Zweite Weltkrieg hat ein konkretes Gesicht, denn es gibt wohl keine Familie in Polen, die nicht den Tod eines Familienmitgliedes zu beklagen hat, die nicht unter Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit zu leiden hatte.


Kociewie: Erinnerung an den 1. September

Lektionen der Geschichte

Die Einwohner von Kociewie haben gestern im Gedenken an den 1. September, des 65ten Jahrestages des Beginns des II. Weltkrieges gedacht. In Tczew fand die Hauptgedenkveranstaltung an den Tczewer Brücken statt. Dort wurden Blumenkränze niederlegt. Pfarrer Dechant Stanislaw Cieniewicz hielt eine Andacht.

Er sagte unter anderem, daß es im ganzen Land sehr viel so ähnliche Orte der Erinnerung, wie hier in Tczew, gibt.

Diese Aktion des Sprengens der Tczewer Brücken, die Tczewer Saboteure durchführten, hatte eine große Bedeutung für den Verlauf des Septemberfeldzuges, sagte Zenon Odya. Es wurde Vergeltung und Mord an polnische Eisenbahnern und Zollbeamten verübt. Ohne dieses erfolgreiche Engagement des Sprengkommandos der polnischen Armee hätte der Septemberkrieg ganz anders verlaufen können. Gott sei Dank müssen die heutigen Jugendlichen keine so blutige Probe mehr bestehen, stellte der Praesident fest.

Der Tczewer Starost nahm Bezug auf Ansprüche des Verein der Vertriebenen und von Erika Steinbach. Er erinnerte an Aufrechnungen der Unrechte. Seiner Meinung nach, sind nach so einer Ungeheuerlichkeit von Zerstörung und Tod diese Ansprüche unberechtigt.

In Starogard Gdanski fanden die Veranstaltungen an dem Denkmal der Pfadfinder statt und zahlreiche Delegationen nahmen daran teil.
"Es gibt in Starogard viele Orte, die mit diesen tragischen Ereignissen verbunden sind", sagte der Pfadfindermeister Artur Drozkowski. Wir erinnern an alle Pfadfinder und Pfadfinderinnen, die ihre Leben für ein freies Polen gegeben haben. Wir können auch nicht die Starogarder Soldaten vergessen ("2. Pulk Szwolezerow Rokitianskich"), die in dem Verteidigungskrieg ihr Leben verloren haben und die, die in deutschen KZs und russischen Lagern starben. Dann fand der Apell für die Gefallenen statt und alle Delegationen legten Blumen nieder. (wam, jac)

Dziennik Baltycki, Tczew vom 2. 9. 2004




In Deutschland wird dieser Tag von Gewerkschaften und Friedensbewegung als Antikriegstag begangen.



Viele Konflikte geben Friedensdemo Stoff

DGB und Friedensforum rufen gemeinsam auf

Von Jens Nieweg
"Wenn wir nicht dauerhaft darauf hinweisen, könnte es sein, dass die Jugend es einmal vergisst," fürchtet DGB-Ortsvorsitzender Reinhard Koetter. Der DGB in Witten und das Friedensforum rufen deshalb am 1. September zur Antikriegsdemo auf. Das Datum des Beginns des Zweiten Weltkriegs soll jeder kennen.

Gut ein Dutzend Aktive vom Wittener Friedensforum und dem Ortsverband Witten des Deutschen Gewerkschaftsbunds baten am Samstagvormittag auf der Bahnhofstraße um Aufmerksamkeit. Ihr gemeinsames Anliegen ist der Frieden in der Welt. Ein hohes Anliegen, aber die Wittener Einkaufsbummler ließen sich damit anhalten. "Die sind richtig weggegangen, die Leute haben alles mitgenommen", berichtete Reinhard Koetter. Vor ihm auf dem Tisch lagen kaum noch Flugblätter und Infobroschüren. Auch das neuartige Quizheft mit Antikriegsfragen und Büchergewinne als Belohnung können daheim nun viele ausfüllen.

Bewegen wollen die beiden Gruppen die Menschen, wollen sie am Mittwoch, 1. September, am Antikriegstag ab 18 Uhr auf dem Rathausplatz sehen. Als "in Zeiten des Wahlkampfes eine überparteiliche Veranstaltung", bezeichnete der Sprecher des Wittener Friedensforums, Joachim Schramm, die Demonstration, die zum Mahnmal im Lutherpark führen wird. Dass dazu "mehr als

tausend" Menschen kommen, hofft DGB-Witten-Chef Koetter, aber er weiß: "Abends in der Woche Leute noch zu einem Gedenktag zu kriegen, ist schon schwer." Sie versuchen es dennoch.

Gründe genug zur Teilnahme scheint es zu geben. Joachim Schramm nennt den Irak-Krieg, die Kämpfe im Sudan und der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, sowie immer wieder die Erinnerung an die Schrecken der beiden Weltkriege. "Was können wir für Lehren daraus ziehen", bleibt für den Friedensforum-Sprecher die Hauptfrage. Für die instabile Lage im Irak heißt das für Schramm: "Eine UNO-Aktion mit neutralen Staaten, die bisher nicht einbezogen waren, bis das irakische Volk selbst seine Konflikte lösen kann", wie es Schramm formuliert. Denn "weniger als Ordnungsmacht" sieht er die USA, eher als Großmacht mit starken Wirtschaftsinteressen.

Die EU-Verfassung ist den Initiatoren zu militaristisch geworden, die gefürchtete Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer aufgerüsteten EU-Interventionsarmee lehnen sie ab, und die finanzielle Absicherung der Sozialsysteme - anstatt der Arbeitsmarktreform Hartz IV - geht DGB und Friedensforum sowieso vor Rüstungsausgaben. Zu demonstrieren gibt es also für die Interessierten genug.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Witten vom 30. 8. 2004





Veranstaltung zum Antikriegstag in Witten

Am Mittwoch dem 1. September folgten einige Dutzend Menschen dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Friedensforums Witten und versammelten sich um 18.00 Uhr auf dem Rathausplatz. Nach einem Demonstrationszug zum Mahnmal im Lutherpark wurde dort im Namen beider Organisationen ein Kranz niedergelegt. Anschließend nahmen die Rednerinnen und Redner mit verschiedenen Beiträgen, Gedichten und Reden Stellung zur 65 Wiederkehr des Tages an dem mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begann und verwiesen auch darauf, daß vor 90 Jahren mit dem Ersten Weltkrieg schon einmal ein Krieg von Deutschland ausging.





Erich Kästner

Verdun, viele Jahre später

Auf den Schlachtfeldern von Verdun
finden die Toten keine Ruhe.
Täglich dringen dort aus der Erde
Helme und Schädel, Schenkel und Schuhe.

Über die Schlachtfelder von Verdun
laufen mit Schaufeln bewaffnete Christen,
kehren Rippen und Köpfe zusammen
und verfrachten die Helden in Kisten.

Oben am Denkmal von Douaumont
liegen zwölftausend Tote im Berge.
Und in den Kisten warten achttausend Männer 
vergeblich auf passende Särge.

Und die Bauern packt das Grauen.
Gegen die Toten ist nichts zu erreichen.
Auf den gestern gesäuberten Feldern
liegen morgen zehn neue Leichen.

Diese Gegend ist kein Garten,
und erst recht kein Garten Eden.
Auf den Schlachtfeldern von Verdun
stehn die Toten auf und reden. 

Zwischen Ähren und gelben Blumen,
zwischen Unterholz und Farnen
greifen Hände aus dem Boden,
um die Lebenden zu warnen.

Auf den Schlachtfeldern von Verdun
wachsen Leichen als Vermächtnis.
Täglich sagt der Chor der Toten:
"Habt ein besseres Gedächtnis!"






Antikriegstag 2004 in Witten

Vor dem Mahnmal im Lutherpark, Redner des Deutschen
Gewerkschaftsbundes und des Wittener Friedensforums.    foto: privat. s. l.


Formen der Gewalt bekämpfen

Innenstadt - "Wieso bietet Deutschland dem Irak Hilfe bei der Ausbildung von Soldaten an und nicht von Krankenschwestern?" Diese Frage stellte sich Ursula Bösken vom Friedensforum Witten gleich zu Beginn des Demonstrationsmarsches anlässlich des 65. Antikriegstages am Mittwochabend. Auch die rund 50 übrigen Demonstranten kennen viele ähnliche Beispiele, auf die sie die Öffentlichkeit mit ihrer Veranstaltung unter anderem aufmerksam machen möchten. "Auf der einen Seite werden im sozialen Bereich immer mehr Mittel gekürzt, aber für die Aufrüstung sind immer noch Gelder vorhanden", so Reinhard Koetter vom DGB Witten.

Zwar war die feierliche Kranzniederlegung am Ehrenmal im Lutherpark vor allen Dingen eine Erinnerung an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und den Beginn des zweiten Weltkrieges.

Aber in Anbetracht der aktuellen Konflikte im Irak und in Israel mahnten Ursula Bösken und Reinhard Koetter auch die Bekämpfung jeder Form von Gewalt an und warnten vor der Militarisierung politischer Organe. Als Beispiel dafür nannten sie die nachträgliche Legitimation des Irak-Krieges durch die UN-Resolution 1546 vom 8. Juni, die Änderung des Grundgesetzes im Bezug auf "out-of-area"-Einsätze der Bundeswehr oder die geplante militärische Einsatztruppe der Europäischen Union. Trotzdem ist diese für Reinhard Koetter auch ein Beispiel für friedliche Problemlösungen. "Die EU-Erweiterung ist der lebende Beweis für die friedliche Überwindung eines jahrzehntelangen Konfliktes zwischen Ost und West." Gleichzeitig griff Rita Boele von der Ruhrbühne Witten diese Themen in Antikriegsgedichten von Erich Kästner und Rose Ausländer auf. Lena Willems

Ruhr Nachrichten, Witten vom 2. 9. 2004





zurück



c/o Peter Liedtke     Postfach 1824     58408 Witten

witten@tczew.de