Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



Informations- und Gesprächsnachmittag

Samstag, den 21. 5. 2011 um 16.00 Uhr

in der Buchhandlung Lehmkul – Am Markt in Witten

Polen und Äthiopien im Dialog:

Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate und
Dr. Monika Bednarczuk im Gespräch über

»König der Könige. Eine Parabel der Macht« von Ryszard Kapuscinski

Dieses Gespräch über das Buch von Ryszard Kapuscinski wird in Kooperation mit dem Ethiopian German Forum e.V. und dem Seminar für Slavistik der Universität Bochum organisiert.
Das Buch des bekannten polnischen Journalisten gilt als ein Porträt des legendären äthiopischen »Königs der Könige«, Haile Selassie und wurde von Kapuscinski als eine Parabel auf totalitäre Systeme und imperiale Machtausübung bezeichnet. In unserem Gespräch sollen die verschiedenen Sichtweisen auf den Text und die dargestellte Wirklichkeit zur Sprache kommen und versucht werden, das umzusetzten, was Ryszard Kapuscinski bei seinen Reportagen wichtig war: »Er möchte den Anderen kennenlernen, weil er begreift, dass er, um sich selber besser erkennen zu können, die Anderen kennenlernen muss, weil sie der Spiegel sind ...« – In diesem Sinne laden wir ein zu einem polnisch-äthiopischen Gespräch, bei dem wir über beide Länder etwas lernen wollen und empfehlen die Lektüre des Buches für eine anregende Diskussion.

Es diskutieren:

Frau Dr. Monika Bednarczuk ist Dozentin am Seminar für Slavistik / Lotman-Institut der Ruhr-Universität Bochum. Sie wurde in Lublin in Polen geboren, studierte an der dortigen Maria-Curie-Skodowska-Universität Polonistik und an der Humboldt-Universität zu Berlin Neuere deutsche Literatur und Linguistik. Im Jahr 2000 beendete sie ihre Magisterarbeit »Das Bild Berlins in der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts« in Lublin und arbeitete dann ein Jahr als Freiwillige am Interkulturellen Internationalen Antirassistischen Informationszentrum ARiC in Berlin. Im Mai 2005 promovierte sie mit einer Arbeit über die Wahrnehmung des spanischen Bürgerkrieges 1936-1939 in der polnischen Literaturwissenschaft und -geschichte. Seit 2009 lehrt sie an der Universität Bochum und hat sich im Rahmen ihres aktuellen Seminars ausführlich mit Ryszard Kapuscinski beschäftigt.

Dr. Asfa-Wossen Asserate ist vielen durch seinen Bestseller »Manieren«, und durch Bücher wie »Afrika. Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten« oder »Draußen nur Kännchen - Meine deutschen Fundstücke« bekannt. Prinz Dr. Asfa Wossen Asserate ist aber auch Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers »Haile Selassie I.«.
In seinem Buch »Ein Sohn aus dem Hause David und warum er in Deutschland blieb« schreibt Herr Asserate über seine Kindheit, die er am kaiserlichen Hof verlebt hat. Er kam 1960 nach Deutschland um zu studieren und wurde »heimatlos«, als das Militärregime von Mengistu Hailemariam den Kaiser stürzte und große Teil seiner Familie in Gefängnis verschwanden und gar umgebracht wurden.
Prinz Dr. Asserate ist ein Kenner des Kaiserhauses, wie kaum ein anderer und wir freuen uns sehr, dass wir Ihn nach Witten einladen konnten.

über:

Ryszard Kapuscinski wurde 1932 in der kleinen Stadt Pinsk in Ostpolen, heute Weißrussland, geboren. Er war der bekannte Auslandskorrespondent in der Volksrepublik Polen und wurde unter anderem mit dem Titel »Polnischer Journalist des Jahrhunderts« ausgezeichnet. Seit 1956 reisete er durch die Welt und berichtete von mehr als zwei Dutzend Revolutionen und Umstürzen, Kriegen, Katastrophen und dem Leben der Menschen in den Ländern Asiens, Lateinamerikas und insbesondere Afrikas. Es war ihm wichtig sich eine eigene Anschauung über das zu verschaffen, worüberer schrieb und begab sich bei seinen Reisen immer wieder auch in Gefahren, so dass sein Freund Salman Rushdie über ihn sagte, »Wer sich so in Gefahr begibt wie Kapuscinski, kann nicht normal sein«. In Äthiopien recherchierte er in der Zeit des Umsturzes und erlangte gerade auch in Äthiopien eine große Bekanntheit, welche eine Motivation zu unserer Gesprächsveranstaltung ist und eine späte Gegendarstellung nicht ausschließt.


In Zusammenarbeit von:
Ethiopian German Forum e. V.
Freundschaftsverein Tczew – Witten e.V.
In Kooperation mit der Buchhandlung Lehmkul


Ethiopian German Forum e.V.



Der letzte Kaiser - Oder warum das Ferne und Fremde uns doch sehr nah ist. - Ein Gespräch über das Buch »König der Könige« von Ryszards Kapuscinski


Am Samstag, den 21. Mai 2011 war das "Oberstübchen" der Buchhandlung Lehmkul am Markt in Witten trotz des sommerlichen Wetters gut gefüllt. Internationale Gäste hatten sich zu einer Diskussion über das Buch des polnischen Journalisten Kapuscinski zusammengefunden. Auf der roten Bank, dem edlen alten Sitzmöbel im Veranstaltungsraum der Buchhandlung, saßen der "Prinz" aus Äthiopien und die Literaturwissenschaftlerin aus Polen, Frau Dr. Bednarczuk, zusammen und tauschten engagiert und teilweise recht lebendig ihre Einsichten und Ansichten aus. Dr. Asserate hatte als Kind den Kaiserhof und Haile Selassie noch selber aus nächster Nähe erlebt. Er verteidigte das Ansehen des antifaschistischen Herrschers der sich im Kreis der Anti-Hitler Koalition des Zweiten Weltkrieges einen guten Namen gemacht hatte. 1941, nach der italienischen Okkupation des Landes, kehrte er mit einem klaren antifeudalen Programm als Kaiser nach Äthiopien zurück und wollte sein Land modernisieren.
Frau Dr. Bednarczuk stellte den polnischen Journalisten vor, der angesichts seiner erfolglosen Entwürfe für eine Reportage über den Umsturz in Äthiopien im Jahre 1974 den Entschluss zu einer anderen Form der Darstellung fasste. Er wählte eine literarische Montage von Interviews, um sich mit diesem Beispiel mit einer autokratischen Herrschaft grundsätzlich auseinanderzusetzen. Kapuscinski hatte stets mit großem Einfühlungsvermögen auf die Menschen, über die er berichtete, geblickt und zeichnete sich dadurch aus, dass er auch in seiner politischen Berichterstattung keine Schwarz-Weiß-Malerei betrieb.
Die erste Veröffentlichung seines Berichtes aus Äthiopien erschien 1978 in Polen als Fortsetzungsbericht in der Zeitschrift »Kultura« und war mit Fotos illustriert. Es lag dadurch tatsächlich der Schluss nahe, es handele sich um eine Reportage. Erst die zweite deutsche Übersetzung hatte den Untertitel »Eine Parabel der Macht«. Ob die polnischen Leser das Buch als eine Reportage oder als die Parabel über die Herrschaft im eigenen Lande verstanden haben, läßt sich nicht vollständig klären. In der Schweiz und in England z. B. wurde der »König der Könige« aber sehr klar als Parabel für jegliche Machtstrukturen verstanden.
Kapuscinskis Buch über Äthiopien konnte Dr. Asserate, trotz uneingeschränkter Anerkennung der literarischen Qualitäten nicht gutheißen, weil er befürchtete, es könne als realistischer Bericht gelesen werden, der so aber nicht zutreffe. In der Kritik an der erstarrten Herrschaftsform des äthiopischen Kaiserhauses zeigte sich der Prinz aus Äthiopien jedoch sehr wohl einverstanden. Auch er hatte die Reformunfähigkeit des Systems schon frühzeitig kritisch gesehen, weil der Demokratisierungsprozess nicht schnell genug ging. Bereits 1960 sei der Untergang für Kaiser Haile Selassie eingeläutet worden, weil er dem damaligen Aufbegehren nicht mit Reformen, sondern mit weiterer Erstarrung begegnete.
Mit dieser politischen Einschätzung und dem Eintreten für Aufklärung und Demokratisierung stellte sich Prinz Dr. Asserate in eine Linie mit der literarischen Figur des Prinzen aus Abessinien, die im Jahre 1791 von dem Freiherrn von Knigge geschaffen wurde. Knigge hatte in dem Jahr, als in Polen die erste demokratische Verfassung in Europa verabschiedet wurde, einen fiktiven Bericht über die Aufklärung in Äthiopien verfasst. Dies ist nur ein Beispiel für die vielen Verknüpfungen des afrikanischen Landes mit Europa. Dass die Grammatik der Staatssprache in Äthiopien von einem polnischen Wissenschaftler verfasst wurde, ist ein weiteres.
Der Moderator, Herr Reinhold Spratte, hatte das Gespräch mit einem Zitat von Kapuscinski eröffnet, in dem dieser drei Möglichkeiten aufzeigt, wie Menschen in der Begegnung mit dem oder den Fremden reagieren können. Neben dem Konflikte und der kriegerischen Auseinandersetzung sah dieser die Abschottung oder den Dialog als menschliche Reaktionsmöglichkeit. Trotz der großen emotionalen Betroffenheit bei dem Gesprächsthema, Dr. Asserate verlor Mitglieder seiner Familie bei der Revolution in Äthiopien, erwies sich der Dialog als möglich und fruchtbar.


Ryszard Kapuscinski hatte sich noch 2004 mit der Frage der Begegnung mit dem Anderen als Herausforderung des 21. Jahrhunderts beschäftigt und dazu formuliert:
»Jedenfalls ist die Welt, auf die wir zusteuern, eine Erde der großen Chance, aber keiner bedingungslosen Chance, sondern einer, die sich nur denen bietet, die ihre Aufgaben ernst nehmen, was sie dadurch beweisen können, dass sie sich selbst ernst nehmen. Es ist eine Welt, die potenziell viel zu geben vermag, aber auch viel von uns verlangt, eine Welt, in der sich bequeme Abkürzungen oft als Sackgassen erweisen.
Wir werden in dieser Welt ständig einem neuen Anderen begegnen, der langsam aus dem Chaos und der Verwirrung der Gegenwart auftaucht. Vielleicht entsteht dieser Andere aus dem Aufeinandertreffen zweier gegensätzlicher Strömungen, die heute die Kultur der Welt prägen -der Globalisierung der Wirklichkeit und der Strömung, ausgerichtet auf die Bewahrung unserer Verschiedenartigkeit, unserer Unterschiede, unserer Einmaligkeit. Vielleicht wird der Andere Resultat und Erbe dieser Strömungen sein. Daher tun wir gut daran, den Dialog und die Verständigung mit ihm zu suchen. Die Erfahrungen meines langjährigen Lebens unter fernen Anderen haben mich gelehrt, dass die freundliche Haltung gegenüber dem anderen Wesen die einzige Möglichkeit ist, in ihm die Saiten des Menschentums zum Klingen zu bringen.«



Bei der Vorbereitung dieser Veranstaltung haben wir auch darüber diskutiert, ob wir den »König der Könige« von Kapuscinski denn auch als eine Parabel auf unsere heutigen Lebensbedingungen verstehen können oder sollten. Eine nicht abgeschlossene Diskussion bis uns das Schreiben eines Redakteurs eines lokalen Medienorgans erreichte, der uns erklärte, warum er unsere Veranstaltungsankündigung nicht veröffentlich hatte:

»Ich hätte den Text allerdings auch nicht veröffentlicht, da ich beim besten Willen keinen Bezug zur Städtepartnerschaft Tczew - Witten erkennen kann. Wenn sich der Freundschaftsverein mit dem Bericht eines polnischen Journalisten (auch nicht aus Tczew) über den ehemaligen äthiopischen Kaiser Haile Selassie beschäftigt, fehlt mir ein Bezug zu Partnerschaftsaktivitäten zwischen Tczew und Witten.«





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