Ein Abend mit Beispielen polnischer Literatur, zum Kennenlernen, zum Genießen und gedacht als eine Basis für mehr Literatur und Nachdenken und Verstehen unseres Nachbarlandes.
WÖRTCHEN
»La Pologne? La Pologne? Schrecklich kalt dort, nicht wahr?«
fragte sie mich und atmete erleichtert auf. Es gibt jetzt so
viele von diesen Ländern, da? es am sichersten ist, über das
Klima zu sprechen.
»Oh, ja«, möchte ich ihr entgegnen, »die Dichter meines
Landes schreiben in Handschuhn. Ich behaupte nicht, sie
zögen sie niemals aus; wenn der Mondschein wärmt, dann
schon. In ihren Strophen, vom lauten Getöse skandiert,
denn nur Getöse dringt durch das Heulen der Stürme,
besingen sie das einfache Leben der Seehundhirten. Die
Klassiker wühlen mit Tintenzapfen in den festgetretenen
Dünen. Der Rest, die Dekadenten, beweint das Schicksal
der kleinen Sterne aus Schnee. Wer sich ertränken will,
muß zum Beil greifen, um eine Wake zu schlagen. So ist
das, meine Liebe.«
So möchte ich ihr antworten. Aber ich vergaß, was See-
hund auf französisch heißt. Ich bin mir auch des Zapfens
und der Wake nicht ganz sicher.
»La Pologne? La Pologne? Schrecklich kalt dort, nicht wahr?«
»Pas du tout«, antwortete ich eisig.
Wislawa Szymborska