Das Wittener Theater »Theaterspiel« produziert in diesem Jahr in einem größeren Kooperationsprojekt das Jugendtheaterstück »ÜBERdasLEBEN«. Die Geschichte die hierbei dargestellt werden soll, handelt von Freundschaft, Gerechtigkeit und Zivilcourage und spielt in der Zeit des Nationalsozialismus. Der historische Hintergrund des Stückes sind biographische Berichte ehemaliger Gefangener im Jugend-KZ Uckermark, das der nationalsozialistische Staat 1942 in der Nähe des Frauen-KZ Ravensbrück einrichtete.
Anfang Januar 2012 trafen sich einige der am Projekt Beteiligten in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, um vor Ort mehr über die Geschichte der beiden Konzentrationslager zu erfahren und um einen Projekttag mit Jugendlichen zweier sechster Klassen der Drei Seen-Grundschule Fürstenberg durchzuführen
Von Berlin aus erreicht man Ravensbrück auf dem Weg nach Norden und kommt dabei an Oranienburg vorbei, wo die SA 1933 ein erstes Konzentrationslager (KZ) errichtete. Hier wurde 1934 der Autor Erich Mühsam ermordet. Es geht weiter an Sachsenhausen vorbei, einem Ortsteil von Oranienburg wo ab 1936 ein KZ eingerichtet wurde. Die dortige Internationale Jugendbegegnungsstätte ist nach dem polnischen Autor Andrzej Szczypiorski benannt, der das KZ Sachsenhausen überlebte.
Nach einer Fahrt durch die brandenburgische Auenlandschaft, durch die sich die Havel von Norden kommend nach Süden windet, erreicht man die Stadt Fürstberg und hinter der Stadt findet sich ein Abzweig zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Auf einer mit Granitsteinen gepflasterten Straße nähert man sich dem ehemaligen Lager und entdeckt dann die Jugendherberge und internationale Jugendbegegnungsstätte, die zuerst einen freundlichen Eindruck hinterlassen. Sie befindet sich jedoch in den ehemaligen Häusern der Lageraufseherinnen, die zusammen mit den Wohnhäusern der SS eine kleine Siedlung vor dem Tor des Konzentrationslagers bildeten.
Das Mädchen-KZ und Vernichtungslager Uckermark, um dessen Opfer es in dem Theaterstück gehen soll, liegt hinter oder neben dem KZ Ravensbrück in einem Niemandsland zwischen dem Schwedtsee und dem Stolpsee, eingegrenzt von Waldflächen und der Havel.
Hier, in der Gedenkstätte Ravensbrück, führten die KünstlerInnen und PädagogInnen einen Projekttag mit Jugendlichen durch. Er fand Beachtung bei den Lehrern und Eltern der Schülerinnen und Schüler und die örtliche Presse und der Fernsehsender Berlin Brandenburg berichteten.
Von Dietmar Stehr
RAVENSBRÜCK . Der Name steht schon fest "ÜBERdasLEBFN" soll das Theaterstuck heißen, das diese Woche In Ravensbrück Konturen annimmt. Es wird sich dem "Jugendschutzlager Uckermark" widmen, einem dunklen Kapitel des "Dritten Reichs".
Etwa 1.000 Mädchen und junge Frauen waren dort, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Konzentrationslager Ravensbrück, zwischen 1942 und 1945 von den Nationalsozialisten inhaftiert worden. Mit dem Verschwinden des Lagers gerieten deren Schicksale weitestgehend in Vergessenheit. Das will nun "ÜBERdasLEBEN" ändern und sich besonders an Jugendliche zwischen zwischen zwölf und 15 Jahren richten.
Trotzdem oder gerade deshalb hatten sich die Initiatoren gestern 34 Sechstklässler der Fürstcnberger Drei-Seen-Grundschule nach Ravensbrück eingeladen, um mit ihnen an dem Stoff zu arbeiten. Das klingt nach einer heiklen Mission, sagte zum Beispiel dem elfjährigen Fabian H. aber ausgesprochen zu. "Viel besser als Schule", fand er den Tag mit den Theaterleuten. Sechs Szenen hatten Fabian und einige Mitschüler in ihrem Schauspiel-Workshop einstudiert. Andere Sechstklässler widmeten sich dem Schreiben und Improvisieren sowie der am Tanz angelehnten Bewegung auf der Bühne. Da ging es um Schicksale fiktiver Inhaftierter, um Assoziationen zu Gegenständen, die die Kinder auf dem KZ-Gelände gefunden hatten, um das Gefühl von Freiheit und deren plötzliche Einschränkung.
Vor Eltern, Fernseh- und Zeitungskamera wurden die Ergebnisse am Nachmittag vorgestellt. Dabei fand nicht nur Initiatorin und Autorin Beate Albrecht lobende Worte für die Fürstenberger Grundschüler. Obwohl diese so jung sind, seien sie enorm gut über die Nazi-Zeit und ihre Verbrechen informiert. "Ich arbeite viel mit 18-, 19-Jährigen zusammen, die wissen nix über Faschismus", so Albrecht.
Ähnlich empfand es Gedenkstätten-Lehrerin Elke Helm, die den Theaterleuten gestern zur Seite stand. "Sehr aufgeschlossen und neugierig" seien die Schüler ans Werk gegangen, befand sie am Nachmittag. Eigenschaften, die sich nur positiv auf das entstehende Stück auswirken können. Es soll eine große Produktion werden - in großer Kooperation. Neben "Theaterspiel" aus dem nordrhein-westfälischen Witten sind "movingtheatre.de" aus Köln, "theatermachen" aus Berlin, die Duisburger Philharmoniker, der Verein Freundschaftsverein Tczew-Witten und das in Köln heimische Internationale Kultur-festival "Sommerblut" an der Produktion beteiligt.
Ziel ist aber nicht allein, die Geschichte des "Jugend-schutzlagers Uckermark" zu thematisieren, wofür die Theaterleute eine Woche lang vor Ort recherchieren und arbeiten. Regisseur Achim Conrad sieht in dem Stück die Chance, auch aktuelle Fragen zu Freundschaft, Gerechtigkeit, Zivilcourage und grundlegenden Menschenrechten auf die Bühne zu bringen. Um dabei das Publikum nicht zu unterschätzen oder gar zu überfordern, waren die Grundschüler mit Ins Boot geholt worden. Und die hatten sichtlich Freude an ihrer Rolle als Theater-Geburtshelfer. Denn das war bei aller Ernsthaftigkeit des Themas - durchaus erwünscht.
Aus dem Stand haben Sechstklassler der Drei-Seen-Grundschule ein Theaterprogramm einstudiert und gestern in der Gedenkstätte Ravensbrück aufgeführt.
Von Cindy Lüderitz
FÜRSTENBERG • Als die Trainer und ihre Schüler am Morgen aufeinander trafen, gab es nur lose Ideen und den Enthusiasmus, bis zum Ende des Tages gemeinsam etwas Vorzeigbares zu erarbeiten. Das ist den Sechstklässlem der Drei-Seen-Grundschule Fürstenberg und ihren Coaches gelungen. In der Gedenkstätte Ravensbrück präsentierten sie am Nachmittag ein halbstündiges Programm mit Schauspiel, Tanz und Literatur. Beate Albrecht, Initiatorin des Projekts, war nach der Premiere hingerissen von ihrem jungen Team. Das Publikum applaudierte.
Zuerst für die Theatergruppe: Es ist der erste Tag in der neuen Schule. Laura und ihre Familie sind gerade nach Fürstenberg gezogen. Das Mädchen wird in der Klasse vorgestellt. Ihre Mitschüler wissen noch nichts über sie, aber Laura ist per se schon Außenseiterin. Die Jungs werfen mit Papierfliegern nach ihr, die Mädchen lästern über Aussehen und Kleidung der Neuen und beschließen, kein Wort mit ihr zu reden.
Das Theaterstück erzählt vom Außenseiterdasein, aber auch von der Dynamik einer Gruppe, die sich wort- und grundlos entschließt, einen anderen Menschen auszugrenzen. Die Schüler spielen das überzeugend. Langsam fasst Laura Vertrauen zu einer Mitschülerin, die den Bann der Gruppe bricht. Später wird auch den anderen klar, dass sie Laura zu Unrecht ausgegrenzt haben. Es gibt eine Annäherung, eine Entschuldigung und eine Einsicht.
In der Schreibwerkstatt haben die Fürstenberger Schüler unterdessen Geschichten über Menschen verfasst, die dem Konzentrationslager zu entfliehen versuchen.
Ein Mädchen beschreibt die Flucht einer Frau, die über den Schwedtsee den nahen Wald erreicht und von Hunden verfolgt wird.
[ Einen der Wachhunde kann sie mit einer Eisenstange aufhalten, der andere bleibt dichter hinter ihr. Plötzlich läuft die Frau ihrem Mann in die Arme und beide erreichen unversehrt ihre Heimat. Ein anderer Häftling versucht beim Fürstenberger Pastor Unterschlupf zu finden und wird aufgenommen. ]
Während die Mädchen solche Kurzgeschichten schrieben, haben die Jungs improvisiert und zu verschiedenen Gegenständen, die auf dem Gelände gesammelt wurden, einen Bezug zur Geschichte hergestellt.
Als Beate Albrecht nach einem Elektrokabel greift, fällt den Schülern der hohe Zaun ein, der um das Lager gespannt war und unter Strom stand. Beim Anblick eines Steins denken sie an harte Arbeit "Es ist wirklich beeindruckend, wie viel die Schüler hier über die Zeit des Nationalsozialismus und über den Ort Ravensbrück wissen. Wir haben schon mit 16- und 17-Jährigen Workshops gemacht, die wussten nur halb so viel über die Geschichte", sagte Albrecht.
Die Erfahrungen dieses Workshops sollen in das Theaterstück "Über das Leben" einfließen, mit dem die Theatergruppe im Mai Premiere feiert Für Recherchen und Zeitzeugengespräche sind die Künstler nach Ravensbrück gekommen und haben sich Zeit für den Workshop mit den Fürstenberger Schülern genommen. "Der Tag heute war auch ein Test, wieviel wir unserer Zielgruppe zumuten können, wie die Geschichte von ihnen aufgenommen wird, welche Reaktionen es gibt", erklärte die Regisseurin. Das Theaterstück soll auch in Ravensbrück gezeigt werden.
Musik, Tanz und Schauspiel
Fünf verschiedene Künstlergruppen sind an dem Theater-projekt "Über das Leben" beteiligt, das die Elemente von Musik, Tanz und Schauspiel in der Auseinandersetzung mit der Geschichte des ehemaligen Jugendschutzlagers Uckermark" verbindet.
Ausgangspunkt für das Stück, das sich an Jugendliche imAItervon 12 bis 15 Jahren richtet, sind Biografien ehemaliger Häftlinge. Darin geht es unter anderem um den Widerstand der jungen Generation.
Die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ist Kooperationspartner des Theaterpro-jekrs. Den Kontakt zur Schule stellte Gedenkstättenlehrerin Elke Helm her. Die Anfrage der Künstlergruppe habe die Fürstenberger Grundschule am schnellsten beantwortet, sagte die Pädagogin gestern. Vorbereitet wurde der Projekttag schon vor Weihnachten.