Literatur- und Gesprächsabend
Dienstag, den 24. 4. 2012 um 19.00 Uhr
im Gemeindezentrum der evangelischen Johanniskirchengemeinde Witten
Die »Warschauer Karwoche« von Jerzy Andrzejewski
Eine Veranstaltung mit Reinhold Spratte
Der polnische Autor Jerzy Andrzejewski wurde 1909 in Warschau geboren und entstammte einem katholischen Milieu. Bereits mit dreiundzwanzig Jahren hat er erste Texte als Schriftsteller veröffentlicht.
Die Stadt Warschau war während des deutschen Überfalls auf Polen bereits Bombardements ausgesetzt gewesen und blieb trotzdem die Zentrale des besetzen Landes, Zentrum des Widerstandes und Zufluchtsort für Flüchtlinge aus der polnischen Provinz. Hier arbeitete Andrzejewski in den Reihen des Widerstandes und veröffentlichte 1948 diese Erzählung, die die Zeit des Aufstands im Warschauer Ghetto im April 1943 darstellt.
Andrzejewski kontrastiert die christliche Karwoche, die ›Passionswoche‹ mit den Vorgängen um die Liquidierung des ›jüdischen‹ Warschauer Ghettos. In einer nahezu dokumentarischen Erzählweise berichtet er über das Schicksal des christlichen Ehepaares Malecki, mit dem das Los der jungen Jüdin Irena Lilien tragisch verflochten ist. Der Autor interessiert sich insbesondere für die menschlichen Dimensionen der tragischen Ereignisse, für die vielen kleinen Entscheidungen, vor die die Beteiligten immer wieder gestellt werden und die zusammengenommen das große Unglück für die verfolgten Juden möglich machen. Er beschreibt anschaulich alle Facetten menschlicher Verhaltensweisen, vom Denunziantentum bis zur warmherzigen Solidarität, von der Haltung des Wegschauens bis zum aktiven Widerstand. Mit seiner Beschreibung einer historischen Situation entlässt der Autor uns heutige Leser nicht aus der Frage nach einer Stellungnahme, denn er macht deutlich, dass es eben nicht nur die vom Einzelnen nicht zu beeinflussenden Umständer der Zeit sind, die die große Katastrophe möglich machen, sondern dass jeder Einzelne an seinem Platz und in ganz konkreten Situationen Entscheidungen trifft und Verantwortung übernimmt, nicht nur für sich.