Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



»Besuchen sie Bayern, ihre Glocken sind schon da!«

Die Heilige Anna Glocke aus Tczew als Friedensbotin unterwegs in der Welt

Die Stadt Tczew hatte Mitte des 19. Jahrhunderts einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der mit dem Bau der Eisenbahnbrücken und der Ansiedlung von Industriebetrieben zusammenhing. In der Folge wuchs die Stadt über ihre mittelalterlichen Grenzen hinaus. In der neu entstehenden Neustadt wurde im Jahr 1915 von den polnischen katholischen Bürgern der Stadt Tczew, die bis 1918 noch nach dem deutschen Namen Dirschau in Westpreußen genannt wurde, eine neue Kirchengemeinde zu Ehren des Heiligen Josef gegründet.
1918 erlangte Polen endlich wieder seine Freiheit und eine eigene Staatlichkeit. Und die Bürger der Tczewer Neustadt verfolgten zielstrebig ihren Plan weiter, der neuen St. Josefs-Gemeinde auch eine Kirche zu stiften.
1931 begann der Bau der Kirche an der ul. Gdańska, der im Jahre 1935 mit dem Innenausbau weitgehend beendet war.
Am 20.06.1936 wurde die erste Glocke, die »Heilige Anna« geweiht.
Am 1. September 1939 kamen die Deutschen mit Flugzeugen, Panzerzug, Panzern und mehr. Nach zwei Monaten hatten sie ihre Todeslisten sortiert und nach der Zeit der wilden Erschießungen, an die in Tczew jetzt z. B. am 24. Januar erinnert wird, begannen das systematische Vertreiben und Ermorden von Teilen der polnischen Bevölkerung. Polnische Männer pressten die Deutschen zum deutschen Militär als Kanonenfutter und damit die Waffen nicht schwiegen mußten, hängte man auch den polnischen Christen die Glocken ab, um sie für die Waffenproduktion einzuschmelzen.




Dziennik Baltiycki

Dienstag, 20. Januar 2015

Pommern // Seite 5

Die Glocke, von den Besatzern gestohlen, fand sich wieder ... in Bayern

Tczew

Nach den Chroniken wurde die St. Anna Glocke angeblich für militärische Zwecke eingeschmolzen, aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie bis heute deutschen Protestanten dient.
Przemysław Zieliński

Der Pfarrer der St. Josephs Kirche und die Freunde der Geschichte der Stadt Tczew, welche verbunden sind mit dem Internet-Portal "Dawny Tczew - Alt Tczew", stehen noch unter dem Eindruck, den diese Entdeckung auf sie gemacht hat.
Informiert wurden sie vom Freundschaftsverein Tczew - Witten (Witten ist seit 25 Jahren Partnerstadt von Tczew).
„Bisher, auf der Grundlage der Chronik der Tczewer Pfarrei, haben wir gedacht, dass die Anna Glocke, welche 1936 gegossen worden ist, von den Deutschen während der Besatzung gestohlen und für Patronenhülsen eingeschmolzen wurde“ erklärte Wojciech Giełdon, einer der Koordinatoren des "Virtuellen Stadt-Museums Alt-Tczew" „ Es hat sichjedoch herausgestellt, dass die »Anna« nach Hamburg gelangt ist, auf den so genannten Glockenfriedhof, und nach dem Krieg wurde sie der evangelischen Gemeinde in Kronach - Fischbach als Entschädigung übergeben.“

Nach der Entdeckung der Tczewer Glocke,
gibt es in der Pfarrei Überlegungen für eine
Ökumenische Zusammenarbeit mit den Deutschen

Es gibt keine Zweifel. Auf der Internetseite der Jakobuskirche Fischbach, die im Norden Bayerns liegt, findet sich eine Aufnahme der läutenden Glocke. Diese, welche dort die größte ist, ist eben die »Anna«. Die Seite vermittelt ebenso Information über die Glocke: die Größe, die Tonart und auch über die die ihr im Glockenguß gegebene polnische Inschrift.
„Es gibt dort Fehler in der Schreibweise des Namens Tczew, die Lokalisierung ist mit Ostpreußen nicht korrekt angegeben, man hat auch den Namen der Gießerei der Brüder Felczyńskich falsch geschrieben, welche die Glocke gegossen haben. Diese Fehler resultieren wohl eher der Unwissenheit aber nicht einem bösen Willen der Deutschen“, ergänzt Wojciech Giełdon.
All diese Beweise könnten die Grundlage bilden, um Ansprüche auf die Glocke zu stellen und sich um eine Rückführung der »St. Anna« zu bemühen, aber die Tczewer Pfarrei möchte das nicht machen.
„Rein gefühlsmäßig könnten wir natürlich die Rückkehr der Glocke wünschen, aber pragmatisch gesehen, was sollen wir heute mit »St. Anna« machen?“ – fragt Prälat Antoni Dunajski, der Pfarrer der St. Josef Gemeinde in Tczew.
„Die heutige Kombination unserer Glocken paßt in der Tonart genau zusammen, und was am wichtigsten ist, aus technischen Gründen könnte der Turm die zusätzliche Belastung nicht tragen.“
Der Pfarrer möchte jedoch die Geschichte der Glocke St. Anna zum Anlaß nehmen und mit der Pfarrei in Bayern ökumenische Kontakte aufnehmen.
Die Nachricht über das Wiederauffinden von »St. Anna« ist für die Pfarrei auch ein Geschenk, denn in diesem Jahr feiert die Pfarrei das hundertjährige Jubiläum ihrer Gründung.
„Sicherlich werden wir in der historische Ausstellung diese Geschichte nicht vergessen“, ergänzt Pfarrer Dunajski.





Deutsche und Polen. – Ein schwieriges Verhältnis

Am 27. Mai 1945 nahm Pastor Friedrich Bodelschwingh (1877-1946), Leiter der „Von Bodelschwinghsche Anstalten Bethel“ in einer Predigt Stellung:
„Die Christen haben Teil an der Schuld ... weder können wir, noch werden wir versuchen, uns freizusprechen von der Verantwortung für die Schuld und das Schicksal unseres Volkes. Noch suchen wir uns mit der Behauptung zu schützen, dass wir von vielem, was hinter dem Stacheldraht der Lager vor sich ging oder in Polen und Russland, nichts wussten. Diese Verbrechen waren die Taten deutscher Menschen, und wir müssen die Konsequenzen tragen.“

Am 8. August 1947 veröffentlichte die Leitung der „Bekennenden Kirche“ ein unter anderem von dem Theologen Karl Barth mitverfassten Text:
Das »Darmstädter Wort zum politischen Weg unseres Volkes«

Die Ablehnung der Erklärung durch die protestantische Amtskirche zeigt das Ringen der Deutschen um ihren Umgang mit der Geschickte und der Frage nach Verantwortung und Schuld.

Das »Darmstädter Wort« endet mit dem Aufruf:
„Gebt aller glaubenslosen Gleichgültigkeit den Abschied, lasst euch nicht verführen durch Träume von einer besseren Vergangenheit oder durch Spekulationen um einen kommenden Krieg, sondern werdet euch in dieser Freiheit und in großer Nüchternheit der Verantwortung bewusst, die alle und jeder einzelne von uns für den Aufbau eines besseren deutschen Staatswesens tragen, das dem Recht, der Wohlfahrt und den inneren Frieden und der Versöhnung der Völker dient.“

Am 18. November 1965 bemühen sich die polnischen katholischen Bischöfe in einem Hirtenbrief um eine Klärung des Verhältnisses zu ihren deutschen Amtsbrüdern. Dies sahen sie als eine notwendige Voraussetzung um das Millenium der Christianisierung Polens im Jahr 1966 gebührend begehen zu können.

Ihre Darstellung der Geschichte beschönigt nichts:
"Über unser armes Vaterland senkte sich eine furchtbare finstere Nacht, wie wir sie seit Generationen nicht erlebt hatten. Sie wird bei uns allgemein "deutsche Okkupationszeit" genannt und ist unter diesem Namen in die polnische Geschichte eingegangen. Wir waren alle macht‑ und wehrlos. Das Land war übersät mit Konzentrationslagern, in denen die Schlote der Krematorien Tag und Nacht rauch­ten. Über sechs Millionen polnischer Staatsbürger, darunter der Großteil jüdischer Herkunft, haben diese Okkupationszeit mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die führende polnische Intelligenzschicht wurde einfach weggefegt. Zweitausend polnische Priester und fünf Bischöfe (ein Viertel des damaligen Episkopates) wurden in Lagern umgebracht. Hunderte von Priestern und Zehntausende von Zivilpersonen wurden bei Ausbruch des Krieges an Ort und Stelle erschossen (778 Priester allein in der Diözese Kulm). Die Diözese Wloctawek allein verlor im Kriege 48 Prozent ihrer Priester, die Diözese Kulm 47 Prozent. Viele andere waren ausgesiedelt. Alle Mittel‑ und höheren Schulen waren geschlossen. Die Priesterseminarien waren aufgehoben. Jede deutsche Uniform, nicht nur die SS, wurde für alle Polen nicht nur ein Schreckgespenst, sondern auch Gegenstand eines Deutschenhasses. Alle polnischen Familien hatten ihre Todesopfer zu beklagen."

Und kommen am Ende zu dem Schluß:
„In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung. Und wenn Sie, deutsche Bischöfe und Konzilsväter, unsere ausge­streckten Hände brüderlich erfassen, dann erst können wir wohl mit ruhigem Gewissen in Polen auf ganz christliche Art unser Millen­nium feiern. Wir laden Sie dazu herzlichst nach Polen ein.“

Schon 1965 vergaßen die polnischen Katholiken die deutschen evangelischen Christen nicht und ließen ihnen Grüße und Dank überbringen. Heute zeigt sich die Pfarrei des Heiligen Josefs in Tczew offen für eine ökumenische Zusammenarbeit mit der evangelischen Jakobuskirche in Fischbach.

 

 





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