In der Deutschen Nationalbibliothek finden sich über 40 Werke von Julian Tuwim.
In der Polnischen Nationalbibliothek sind jedoch Hinweise auf über eintausend Ausgaben der Werke des Autors Julian Tuwim verzeichnet. Allein sein Gedicht »Die Lokomotive«, das von James Krüss ins Deutsche übertragen wurde und dass er in seinen Kinderbüchern verbreitete, ist ein wenig bekannt geworden.
Julian Tuwim (1894–1953) ist einer der berühmtesten polnischen Dichter. In Polen sind vor allem seine Kinder- und Liebesgedichte bis heute sehr beliebt und fester Bestandteil des Spracherwerbs der Kinder. Seine Gedichte „Lokomotywa“ (Lokomotive), „Ptasie radio“ (Vogelradio) sowie die von Hanka Ordonówna oder Czesaw Niemen gesungenen Texte „Mio ci wszystko wybaczy“ (Liebe verzeiht dir alles) und „Jesie“ (Herbst) gelten seit Jahrzehnten als Schlager.
Tuwim war auf mehreren Feldern aktiv. So wollte er einerseits die poetische Sprache erneuern, andererseits diese dem breiten Publikum zugänglich machen. Er interessierte sich für Sprachphilosophie, reagierte aber auch heftig auf politische und gesellschaftliche Ereignisse, und verfasste in den 1920er und 1930er Jahren zahlreiche Kabaretttexte und Chansons. Im Vergleich mit Zeitgenossen wird deutlich, dass diese Widersprüchlichkeit im Schaffen und Verhalten bei weitem nicht so ungewöhnlich ist, wie man es vemuten könnte. Sie hingen einerseits mit der Modernisierung der Welt und der Literatur zusammen, und andererseits mit familiären Hintergründen Tuwims, der aus einer assimilierten jüdischen Familie stammte.
Um einige literarische Motive in Tuwims Werk sowie manche seiner künstlerischen und ideologischen Wandlungen zu erklären wird Frau Dr. Bednarczuk ihn mit zwei jüdisch-deutschen Schriftstellern, Alfred Döblin und Kurt Tucholsky, vergleichen. Es gibt auffallend viele Ähnlichkeiten, sowohl in den Biographien dieser drei Autoren jüdische Herkunft, in den Familiendramen, Leiden unter dem Schulsystem, Revolutions- oder Kriegtrauma, die Flucht ins Exil, als auch in ihrem Schreiben.
Dr. Monika Bednarczuk ist Dozentin am Seminar für Slavistik / Lotman-Institut der Ruhr-Universität Bochum. Sie wurde in Lublin in Polen geboren, studierte an der dortigen Maria-Curie-Sk?odowska-Universität Polonistik und an der Humboldt-Universität zu Berlin Neuere deutsche Literatur und Linguistik. Im Jahr 2000 beendete sie ihre Magisterarbeit »Das Bild Berlins in der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts« in Lublin und arbeitete dann ein Jahr als Freiwillige am Interkulturellen Internationalen Antirassistischen Informationszentrum ARiC in Berlin. Im Mai 2005 promovierte sie mit einer Arbeit über die Wahrnehmung des spanischen Bürgerkrieges 1936-1939 in der polnischen Literaturwissenschaft und -geschichte. Seit 2009 lehrt sie an der Universität Bochum.