Der Yangtse, der Ganges oder der Nil, was für Ziele für eine unaufhaltbare Crew. Bisher jedoch standen meist Gewässer diesseits und jenseits der Alpen auf dem Fahrtenprogramm des Rüdersdorfers Vereins, der in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze und der alten slawischen Siedlung Berlin zuhause ist.
Tourismus und gerade die Fahrten auf den großen Flüssen folgen romantischen Vorstellungen über das Reisen.
Aber Tourismus ohne Kultur? Eine Flußfahrt in Nordpolen ohne die Spuren der Geschichte und Kenntnisse der europäischen Kultur?
Wie sollten wir bei einem solchen Großunternehmen nicht an ein Vorbild denken, daß durch den in Sopot gebürtigen Schauspieler Klaus Kinski geprägt wurde, den Film »Fitzcarraldo« von Werner Herzog aus dem Jahr 1982.
Der Versuch, das Unmögliche möglich zu machen, der Traum, dem Klaus Kinski Bilder verlieh, ist ein anschaulicher Hintergrund für den Versuch, die Weichsel rückwärts fahrend zu erkunden in einer Zeit, in der sich dort kaum Wasser findet. Trotzdem es seit Wochen immer wieder heftig regnet und die Warschauer Metro gelegentlich vom Regen geflutet wurde, ist in der Weichsel deutlich Niedrigwasser. Überall ragen Sandbänke in der Flußmitte aus der Mitte des Stroms. Handelte es sich wirklich um Seeadler, die von den Wanderern auf diesen Sandbänken immer wieder gesichter wurden oder doch um die Geier, die bereit standen, die Reste der Gestrandeten wegzuräumen?
Der Nachen, mit denen die Rüdersdorfer unterwegs sind, erinnert eher an die Dimensionen eines Omnibuisses oder Flußdampfers.
In Toruń startend, mit Stationen in Bydgoszcz und Gniew, erreichte die Gruppe des Ruderclubs Rüdersheim am 13. Juli 2016 Tczew.
Das Boot der Rüdersdorfer Reisegruppe ist ein finnisches Kirchboot. Die Bauart dieser Ruderboote geht auf ein religionspädagogisches Konzept in Finnland des 17. Jahrhunderts zurück. In der Zeit, als Finnland noch unter schwedischer Herrschaft stand und die evangelisch-lutherisch Kirche Staatskirche war, entstand das von der Kirche geförderte Konzept der Kirchboote von einer Länge bis zu 40 Metern und einer Kapazität von bis zu 150 Personen. Die Bewohner der entlegenen Dörfer waren angehalten gemeinsam zum Gottesdienst zu rudern, da andere Verkehrswege als die Seen und Flüsse kaum ausgebaut waren. Die Kirchboote verbanden das Gemeinschaftserlebnis mit dem pünktlichen Erscheinen zum Gottesdienst, die Verbesserung der Infrastruktur mit einer Diziplinierung der Untertanen.
Finnland, Schweden, die Reformation und die Deutschen mit einem protestantischen Missionsboot unterwegs auf der Weichsel im heute überwiegend katholischen Polen. – Europa verbindet eine lange und eng verwobene Geschichte die viele Gemeinsamkeiten aufweist. Die Kirchboote, die sich in ihrer Bauart an den weit älteren Wikingerbooten orientierten, ähneln stark den Booten, die früher auf der Weichsel üblich waren und die heute noch im Weichselmuseum in Tczew zu besichtigen sind.
Dawny Tczew, die Bürgerinitiative zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte der Stadt Tczew gab den Gästen aus Deutschland am Nachmittag bei einem Rundgang durch die Altstadt einen Einblick in die Geschichte der mehr als 750 Jahre alten polnischen Stadt Tczew, die durch ihre Bürger, die teilwiese aus dem Westen, dem Norden und dem entfernten Nordwesten, Schottland, stammten, schon immer einen europäischen Charakter gehabt hat.
Auf zu neuen Ufern.