Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



Informations- und Gesprächsabend »Bettis Salon«:

Dienstag, den 12. Juni 2018 um 19.00 Uhr

im „Alten Fritz” – in der Augustastraße in Witten

Polnische Selbstbilder der Autorin Joanna Bator

Der Roman „Dunkel fast Nacht“ und „Sandberg“ und ihr Blick auf das heutige Polen

Im Jahr 2012 erschien der Roman „Dunkel fast Nacht“ von Joanna Bator in Polen. Er wurde 2013 mit dem höchsten polnischen Literaturpreis, dem Nike-Literaturpreis ausgezeichnet. Eine Auszeichnung, die nicht unwesentlich dazu beigetragen haben wird, dass wir das Buch heute in deutscher Übersetzung lesen können. Die Sprachgrenze unterstützt noch immer die Grenze im Verstehen des Nachbarlandes.
Die Dozentin für Philosophie und Kulturwissenschaften arbeitete an Universitäten in Warschau, New York, London und Tokio. In Japan entdeckte sie, was in polnischen Internetforen zu lesen ist und war erstaunt. Sie war mit diesen Menschen eigentlich durch die Sprache verbunden, doch war nicht nur die Sprache eine entstellte, reduzierte Ausdrucksweise, auch das Denken war ihr fremd und war von der Furcht vor allem Fremden getragen. In ihrem Roman „Dunkel fast Nacht“ hat sie sich mit diesen Erfahrungen über das Denken ihrer Landsleute auseinandergesetz und es in eine Geschichte über ihre Heimatstadt Wałbrzych in Schlesien eingebettet.
Der von der internationalen Presse immer wieder gerne erneut aufgetischten Legende nach, soll unter dem Schloß in der alten Bergbaustadt Waldenburg in Schlesien ein Zug mit Gold der Nazis versteckt sein. Dieses Raubgold der Nazis raubt bis heute manchen Zeitgenossen den Verstand. Andere geben sich einem katholisch verbrämten religiösen Wahn hin. Was die Menschen eint, ist die Suche nach Hoffnung in einer Stadt, die ihre guten Tage offenbar hinter sich hat, in der Arbeitslosigkeit und Armut sich festgesetzt haben und die Auswanderung eine andere Form der Suche nach Hoffnung darstellt.
In dieser Gesellschaft, die vielleicht nicht nur für eine Stadt, sondern vielleicht als Bild für das Land verstanden werden kann, schaut die Autorin sich die Menschen genauer an. Sie hört ihnen zu, erfährt von ihren Geschichten, von ihrer Verwurzelung in ihren Familien und der Geschichte des Landes. Was dabei herauskommt, steht im Gegensatz zu einem Weltbild, das die eigene Schwäche durch Heldengeschichten und das Beschwören nationaler Größe zu überdecken sucht.
Die ungeschminkte Darstellung von Menschen mit ihren Nöten und Hoffnungen macht deutlich, wie wenig die einfachen Antworten der Nationalisten und Haßprediger den Menschen tatsächlich helfen können. Wenn wir dem Blick der Autorin folgen, entdecken wir, wie tief die Wurzeln der heutigen Menschen reichen und daß Deutsche und Polen nicht nur in der gemeinsamen Geschichte und durch das Zusammenleben am gleichen Ort miteinander verbunden sind.



Bator, Joanna: Dunkel, fast Nacht : Roman
Bator, Joanna:
Dunkel, fast Nacht : Roman / Aus d. Polnischen von Lisa Palmes. – Berlin : Suhrkamp. – 511 S.
Ciemno, prawie noc
ISBN 978-3-518-42497-1
24,95 Euro

Verlangsinformation:
Eine Stadt ist in Aufruhr. Drei Kinder sind verschwunden. Die erfolglosen Ermittlungen schüren die Wut der Bürger, befeuern die Gerüchte. Verdächtigungen und Schuldzuweisungen greifen um sich. Gehetzt wird gegen die »Katzenfresser«, die Zigeuner. Im Radio und im Internet lodert die Sprache des Hasses.
Alicja Tabor hat diese Stadt früh verlassen. Nun kehrt sie als Journalistin zurück, um Nachforschungen über die rätselhaften Entführungen anzustellen. Sie quartiert sich im alten Haus ein, das seit dem Tod des Vaters leer steht; die Atmosphäre ist düster, die Stimmung im einst so geliebten Garten unheimlich. Ständig fühlt sie sich beobachtet, um sie herum ereignen sich unerklärliche Dinge.
Schon in Sandberg und Wolkenfern begegnete uns Joanna Bator als Virtuosin der Verknüpfung, die in den verschwiegenen Familiendramen die Geschichte einer Epoche aufleuchten lässt. Mit der ihr eigenen Subtilität schildert sie, wie Stimmungen kippen können, wie latente Ängste und Traumata sich in jähe Ausbrüche von Wahnsinn verwandeln. Dunkel, fast Nacht ist ein Roman über die Brüchigkeit einer Gesellschaft, die ihre gemeinsame Sprache verloren hat.
Bator, Joanna:
Sandberg : Roman / Übersetzt von Esther Kinsky. – Berlin : Suhrkamp, 2012. – 492 S.
Piaskowa Góra
ISBN 978-3-518-46404-5
11,99 Euro

Verlangsinformation:
Auf dem Sandberg, einer Siedlung am Rande einer polnischen Kleinstadt regieren die Frauen. Sie träumen von einem Schwiegersohn aus Castrop-Rauxel, denn wenn sie selbst schon nicht das große Los gezogen haben, sollen wenigstens ihre Töchter glücklich werden. Aber die haben eigene Vorstellungen von Glück … Joanna Bator erzählt von den Träumen, Ängsten und Hoffnungen einer von Krieg und Flucht traumatisierten Generation und von der Rebellion und Freiheitssehnsucht ihrer Kinder.





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