Eine Wiederholung der Lesung vom 29. Januar 2019 auf Einladung des soziokulturellen Zentrums TrotzAllem.
Auch hundert Jahre nach dem politischen Mord an dem langjährigem Mitglied der deutschen Sozialdemokratischen Partei ist es schwierig, ohne Emotionen über Dr. Rosa Luxemburg zu reden. Noch immer weckt sie den Haß der Rechten und das berede Schweigen bei denen, die sich nicht mit der blutigen deutschen Geschichte auseinandersetzen wollen. Rosa Luxemburg, aus dem russisch besetzten Polen stammend, war eine mehrsprachige und gut vernetzte europäische Politikerin, die für Frieden und soziale Gerechtigkeit in Europa eintrat.
Die revolutionären Soldaten und Arbeiter verhalfen im November 1918 der Republik zum Durchbruch, kämpften für die Freiheit, die wir heute genießen und bezahlten dafür zu tausenden mit ihrem Leben, erschossen und bestialisch ermordet von deutschen Soldaten.
Die gefährlichste Frau im deutschen Kaiserreich? Eine Frau mit Buch. Und Doktortitel. Noch als sie ins Hotel Eden verschleppt wurde, nahm sie ihren Goethe mit. Ihre Ermordung war ausgemachte Sache zwischen den Kaisertreuen in Militär und Regierung. |
55 Jahre nach der Ermordung der Sozialistin, revolutionären Sozialdemokratin und Grümdungsmitglied der Kommunistischen Partei erinnert die Bundesrepublik Deutschland an Rosa Luxemburg. „Gänsehirtin“ oder Revolutionärin bleibt bei der stark abstrakten Darstellung offen. Auf jeden Fall eine Darstellung ohne Buch im Lande der Dichter und der Henker. | |||
Heute erleben rechte Parteien, die Haß predigen und gegen die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorgehen, wieder Zustimmung. Wir wollen aus Anlaß des hundersten Jahrestages der Ermordung der revolutionären Sozialdemokratin Rosa Luxemburg an sie und ihre Zeit erinnern und fragen, was wir verlieren werden, wenn wir zulassen, daß die Demokratie gegen ihre Feinde verliert. Aus diesem Grund stellen wir diese Lesung bewußt in den Zusammenhang mit dem 27. Januar, dem Tag, an dem das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde.
Generalstreik in Berlin, gesetzlich nicht vorgesehener Massenstreik. Schon 1920 mußten die Demokraten erneut zu diesem Mittel greifen, um die junge Republik gegen ihre Feinde zu verteidigen. | Der Kaiser geht und die Sozialdemokratie darf die Reste verwalten, einschließlich der Verantwortung für Krieg und Niederlage. „Es wird nicht geschossen“ hieß es am 9. November 1918. | ||||
Originaltitel: Kosciol a Socjalizm, Kraków, 1905.
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Die Sozialdemokraten halten sich bei uns wie auf der ganzen Welt an den Grundsatz, daß Gewissen und Überzeugung des Menschen heilig und unantastbar sind. Jedem steht es frei, den Glauben und die Überzeugung zu haben, die ihn glücklich machen. Niemand darf die religiösen Überzeugungen der Menschen verfolgen oder beleidigen. So sagen die Sozialdemokraten. Und deshalb rufen sie auch unter anderem das ganze Volk zum Kampf gegen die zaristische Regierung auf, die das Gewissen der Menschen vergewaltigt und Katholiken, Unierte, Juden, Ketzer und Konfessionslose verfolgt.
So verteidigen gerade die Sozialdemokraten leidenschaftlich die Gewissensfreiheit und das Bekenntnis eines jeden Menschen.
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Der heilige Basilius drohte den Reichen im 4. Jahrhundert nach Christus zum Beispiel folgendermaßen:
„O ihr Elenden, wie wollt ihr euch vor dem himmlischen Richter rechtfertigen? Ihr antwortet mir: Welche Schuld trifft uns, wenn wir nur das für uns behalten, was uns gehört? Ich aber frage euch: Was nennt ihr euer Eigentum? Von wem habt ihr es erhalten? ... Wodurch bereichern sich die Reichen, wenn nicht dadurch, daß sie an sich raffen, was allen gehört? Wenn jeder nicht mehr für sich hätte, als er zum Unterhalt benötigt, den Rest aber anderen überließe, so gäbe es keine Armen und keine Reichen.“
4. Der Adel, das Bürgertum und das Volk im Posenschen
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Aber nicht genug damit. Die ganze Heuchelei dieses Patriotismus unserer wappengeschmückten Parlamentsabgeordneten kommt erst bei der Abstimmung über die Vergrößerung des Heeres und der Marine an den Tag. So stimmten unsere polnischen Abgeordneten im Jahre 1893 für die Stärkung des deutschen Heeres, für die Stärkung der bewaffneten Streitkräfte derselben Regierung, die die Polen peinigt, für die Stärkung der Schlinge, die dem polnischen Volk die Kehle zuschnürt! Muß die Regierung angesichts dessen nicht das patriotische Wimmern der polnischen Abgeordneten verspotten? Und ist es angesichts dessen nicht offensichtlich, daß das polnische Volk bisher seine Feinde, aber nicht die Beschützer als Vertreter ins Parlament schickt? Sogar bei der letzten Verdoppelung der deutschen Flotte in diesem Jahre, die doch nichts anderes bezweckte, als die Chinesen zu unterwerfen und zu unterdrücken, so wie sie uns heute unterdrücken. Sogar hier schwang sich kaum die Hälfte unserer Abgeordneten dazu auf, gegen die Regierungsvorlage zu stimmen. Die zweite Hälfte dieser „Polen“ verschwand aus dem Parlament, wie es tapferen Männern geziemt, und verbarg sich im Mauseloch, um, Gott bewahre, nicht gegen die Regierung zu stimmen!
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