Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



Informations- und Gesprächsabend »Bettis Salon«:

Dienstag, den 8. Oktober 2019 um 19.00 Uhr

im „Alten Fritz” – in der Augustastraße in Witten

»Staat ohne Gott« oder: Woher nehmen wir die Freiheit zur Religion

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland werden sich möglicherweise noch keine Vorstellungen davon gemacht haben, welche Bedeutung der Artikel 4 des Grundgesetzes einmal für das praktische Zusammenleben der Menschen in der Bundesrepublik haben wird.

Art 4, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.
Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Bei der Diskussion und Formulierung des Grundgesetzes ging es um die Erfahrungen der europäischen Aufklärung, die Befriedung der Gesellschaft durch die Trennung der Gesellschaftsorganisation und Politik vom religiösen Bekenntnis und es ging um die Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus der zur millionenfachen Verfolgung von Menschen aufgrund ihres persönlichen weltanschaulichen und religiösen Bekenntnisses geführt hatte. Der gesellschaftliche Friede sollte gesichert werden und die Verfolgung aufgrund weltanschaulicher und religiöser Bekenntnisse sollte verhindert werden.

Verfassung und Verfassungswirklichkeit stimmen bis heute nicht überein. Durch eine Reihe neuer religiöser Bekenntnisse in Deutschland steht die Gesellschaft heute zudem vor der Frage, ob sie den Weg des Grundgesetzes weiter beschreiten und die Trennung von Glaubensgemeinschaften und Staat umsetzten will oder ob ein Weg zurück in frühere Jahrhunderte mit einer Dominanz religiöser Bekenntnisse über Fragen der gesellschaftlichen Organisation und Entscheidungsfindung angestrebt werden soll.

Das Beispiel Polen illustriert die Fragestellung, die heiue in vielen westlichen Demokratien relevant geworden ist. Als in Polen nach der poliischen Wende 1989 über den zukünftigen Aufbau der Gesellschaft diskutiert wurde, ging es auch um das Verhältnis von Kirche und Staat. Die damaligen Argumente sind heute noch von Interesse.




Dreier, Horst:
Staat ohne Gott : Religion in der säkularen Moderne. – München : C.H.Beck, 2018. – 256 S.
ISBN 978-3-406-71871-7
26,95 Euro

Staat ohne Gott ist keine Streitschrift, wohl aber eine streitbare Analyse. Die These von Horst Dreier lautet: In der modernen Demokratie darf sich der Staat mit keiner bestimmten Religion identifizieren, und heiße sie auch Christentum. Nur in einem Staat ohne Gott können alle Bürger gemäß ihren durchaus unterschiedlichen religiösen oder sonstigen Überzeugungen in Freiheit leben.
Staat ohne Gott heißt also nicht: Welt ohne Gott, auch nicht: Gesellschaft ohne Gott, und schon gar nicht: Mensch ohne Gott. Es heißt vielmehr, dass die Demokratie des Grundgesetzes mit jeder Form eines Gottesstaates, einer Theokratie, einer sakralen Ordnung oder eines christlichen Staates gänzlich unvereinbar ist. Die Entwicklung Deutschlands hin zu einer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft hat neue Konfliktfelder zwischen den Anhängern verschiedener Glaubensrichtungen sowie zwischen ihnen und der Staatsgewalt entstehen lassen. Gerade angesichts der intensiv geführten Debatte um den Zusammenprall der Kulturen und die Herausforderung freiheitlicher westlicher Gesellschaften durch den Islam aber ist eine Besinnung auf die Grundstrukturen und Grundfragen des säkularen Staates geboten – auf sein Programm, sein Profil, seine Problematik.

Horst Dreier ist Professor für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg





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