Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



DGB - Nie wieder Krieg

1. September 2020 – 1. September 1939

Antikriegstag – Weltfriedenstag

8. Mai 1945 – 1. September 2020


Montag, 31. August 2020

Veranstaltung zum Antikriegstag – Weltfriedenstag

Unter den Bedingungen der COVID-19 Pandemie unter freiem Himmel und mit Abstand

16.30 Kundgebung auf dem Rathausplatz in Witten

Begrüßung durch Mathias Hillbrandt,
DGB Kreis Ennepe-Ruhr, IG Metall Witten-Gevelsberg-Hattingen

Wortbeitrag: Joachim Schramm, Wittener Friedensforum

Musikalische Lesung mit Sven Söhnchen & Björn Nonnweiler
„Warum ich Nazi wurde“

17.20 Gemeinsamer Gang zur Kranzniederlegung am Mahnmal im Lutherpark

Begrüßung durch Mathias Hillbrandt,
DGB Kreis Ennepe-Ruhr, IG Metall Witten-Gevelsberg-Hattingen

Grußwort Ralf Kapschack (MdB)

Redner zum Antikriegstag: Pfarrer Dr. Horst Hoffmann

Der Frieden muss gewagt werden!

Aus Anlass des Antikriegstages eine Erinnerung an den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, Widerstandskämpfer und Märtyrer im NS-Staat, der uns ein bleibendes Vermächtnis zur Frage von Krieg und Frieden hinterlassen und den bleibenden Auftrag für alle Staatsbürger mit eindrücklichen Worten beschrieben hat.  

Rede zum Antikriegstag – 31. August 2020 in Witten

Der Frieden muss gewagt werden!

Im Jahr 2019 fanden nach UN-Angaben 23 Kriege und 4 sogenannte bewaffnete Konflikte statt. 
Deutschland ist nach wie vor auf Platz 4 der weltgrößten Waffenexporteure. 
Gleichzeitig liegt seitens der Verteidigungsministerin ein Vorschlag auf dem Tisch, 45 US-Kampfjets mit der Fähigkeit zur Bestückung mit atomaren Waffen für viele Milliarden anzuschaffen. 
Dazu sollen 15 Jets aus europäischer Produktion geordert werden. 
Am 1. September 2020, im 81. Jahr nach dem Beginn des 2. Weltkrieges, stellen wir objektiv fest, dass der politische Mainstream die Sicherung des Friedens allein durch eine fortschreitende Aufrüstung gewährleistet sieht.

Dazu stellen wir heute 2 Fragen. 
Die erste lautet „Wie wird Frieden?“ 
Und wir fügen die zweite Frage direkt hinzu: 
Was ist der bleibende Auftrag der Staatsbürger und -bürgerinnen in der Suche nach Frieden? 

Um uns einer Beantwortung dieser beiden Fragen zu nähern, wollen wir Anleihe nehmen bei einem Mann, der in Witten eigentlich bekannt sein sollte. Ist doch nach ihm hier in der Innenstadt eine Straße benannt. Der Mann heißt Dietrich Bonhoeffer, war evangelischer Theologe und Pfarrer, und wurde am 9. April 1945, also kurz vor Ende des Krieges, auf ausdrücklichen Befehl Hitlers im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. 
Wenn wir bei ihm Antwort auf unsere Fragen suchen, dann wollen wir diesen Mann heute auch den Bürgerinnen und Bürgern Wittens in Erinnerung rufen. 
Bonhoeffer redet als evangelischer Christ und Theologe. Ich bin aber der Meinung, dass seine Gedanken und Herausforderungen gewiss auch für Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen, ja für demokratische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger generell in Geltung zu bringen sind.

„Wie wird Frieden? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung des internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? Durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige Aufrüstung zum Zwecke der Sicherstellung des Friedens?
Nein, durch all dieses aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall Frieden mit Sicherheit verwechselt wird. Es gibt keinen Frieden auf dem Wege der Sicherheit. Der Frieden muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis und lässt sich nie und nimmer sichern. Frieden ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg.“ 

Das schreibt Bonhoeffer schon 1934 für eine Tagung der ökumenischen Weltkonferenz in Fanö/Dänemark.
Und er wehrt die theologische Rechtfertigung des Krieges durch die Tradition der Zwei-Reiche-Lehre ab, die politisches Handeln in die Eigengesetzlichkeit des weltlichen Bereiches entlassen will.

Bonhoeffer stellt für uns heute fest, dass der Krieg kein unaufhaltsames Geschehen, sondern eine bewusste Tat des menschlichen Willens ist, für die dieser in vollem Umfang verantwortlich ist und bleibt. 
Der Feind der Friedensarbeit ist der Krieg als Ausgeburt menschlichen Willens und Tuns.
Der menschliche Wille zum Krieg muss mit dem Gebot Gottes konfrontiert werden: 
Du sollst nicht töten!

Auf den Einwand, der Krieg schafft Frieden, muss die Kirche zur Erhaltung des Friedens immer wieder mit diesem Gebot antworten und darauf beharren, das ist nicht wahr, dass der Krieg Frieden schafft, sondern der Krieg schafft Vernichtung.

Gerade von diesem Standpunkt aus beantwortet Bonhoeffer die zweite Frage. Was ist der Auftrag der Kirche? Und ich füge hier und heute hinzu, was ist unser Auftrag als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. 

Man schreibt den 6. April 1933. Dietrich Bonhoeffer hält einen Vortrag mit dem Thema „Die Kirche vor der Judenfrage“, kurz nach der Machtergreifung Hitlers, wenige Tage nach dem Boykott jüdischer Geschäfte und einen Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“.  Die Worte klingen schön, die Sache bleibt hässlich und wird kurz „Arierparagraph“ genannt. 
In seinem Vortrag beschreibt er drei Aufgaben für die Kirche in ihrem Handeln gegenüber dem Staat. 
Die erste besteht darin, den Staat beharrlich auf den legitimen Charakter seines Handelns zu befragen. 
Die zweite fordert, allen Opfern staatlichen Handelns beizustehen, unabhängig davon, ob sie zur christlichen Gemeinde gehören. 
Die dritte Aufgabe besteht darin, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu greifen“. Das unmittelbare politische Handeln der Kirche ist widersprechendes und widerstehendes Handeln. 

Wie sieht das aus, wenn die Kirche in diesen Tagen das legitime Handeln des Staates befragt? 
Nein, hier ist nicht Corona gemeint, sondern wahrhaft weltweit ökumenisch, das Handeln der Trumps, Putins, Erdogans, Lukaschenkos, Orbans, Dudas und wie sie alle heißen mögen. Da, wo sich politische Potentaten des Staates und seiner Ordnung bemächtigen, sich und ihre Cliquen schamlos persönlich bereichern, die Öffentlichkeit ohne Skrupel belügen, brutale Gewalt ausüben, internationales Recht missachten, Wahlen und Wahlergebnisse manipulieren und Kriege vom Zaun brechen. 

Und fast immer ist es die Religion, die in diesen Fällen instrumentalisiert wird. 
Der politische Kampf wird zu einem Glaubenskampf stilisiert. 
Die große Mehrheit der Evangelikalen in den USA sind treue Anhänger von Donald Trump. Sein Gegenüber Putin weiß sich in allem der Unterstützung der Orthodoxen Kirche sicher, der Ungar Orban verteidigt angeblich das europäische Christentum, in Polen steht die Katholische Kirche stramm an der Seite der Nationalkonservativen. Dabei werden oftmals antisemitische Untertöne platziert. 
Besonders infam ist die Wiedereröffnung der Hagia Sophia in Istanbul als Moschee. Hier soll nicht nur eine lange und wichtige Epoche christlicher Kirchengeschichte ausgelöscht werden. Bei der Zeremonie steht vorne ein Sultansverschnitt mit einem blanken Schwert. Präsident Erdogan proklamiert mit dieser martialischen Geste den endgültigen Sieg des Islam über das Christentum.

Das Handeln des Staates auf seine Legitimität im Sinne Bonhoeffers zu befragen, heißt, den theologischen Unfug, der von Seiten der Mächtigen und ihrer Getreuen verbreitet wird, beharrlich und schonungslos offenzulegen. Hier sind die Gläubigen nach ihren Glaubensüberzeugungen, ihrem Bekenntnis und ihrer Ethik gefragt.  

Darüber hinaus ist Zeugenschaft gefordert, die sich denen zuwendet, die bei dieser Art der Religionisierung von Politik unter die Räder kommen. Zeugenschaft heißt im Urtext Martyria. Und wieder muss vor einem populären Missbrauch gewarnt werden. Ein Märtyrer ist der, der um seines Glaubens oder seiner Überzeugung willen Leid auf sich nimmt, und nicht der, der anderen Leid zufügt. 
Wer sich mit anderen in die Luft jagt, ist kein Märtyrer, sondern ein Verbrecher.

Nun ist wahrlich nicht jeder zum Widerstand unter Bedrohung des eigenen Lebens geboren. Dietrich Bonhoeffer als Märtyrer des 20. Jahrhunderts legt aber die Spur, in der die Kirche und jeder Christenmensch, eigentlich auch jeder Mensch anderer Religion oder Überzeugung gehen kann. Sich mit den Opfern der Kriege solidarisieren und widersprechen. Das ist das Mindeste.

„Wir wollen reden zu dieser Welt, kein halbes, sondern ein ganzes Wort, ein mutiges Wort, ein christliches Wort. Wir wollen beten, dass uns dieses Wort gegeben werde, wer weiß, ob wir uns nächstes Jahr noch wiederfinden?“

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Witten, 31. August 2020
Pfarrer Dr. Horst Hoffmann






Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Antikriegstag: 1. September 2020
Nie wieder Krieg! In die Zukunft investieren statt aufrüsten!

Für uns Gewerkschaften ist der Antikriegstag 2020 ein besonderer Tag der Mahnung und des Erinnerns. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung Europas und der Welt vom Faschismus jähren sich zum 75. Mal. Mit seinem Überfall auf Polen riss Nazi-Deutschland 1939 die Welt in den Abgrund eines bestialischen Krieges, der unermessliches Leid über die Menschen brachte und 60 Millionen Tote forderte. 75 Jahre nach Kriegsende liegt es an uns, die Erinnerung an diese zahllosen Toten wachzuhalten und der Millionen von Holocaust-Opfern zu gedenken, die von den Nazis ermordet wurden. Und wir müssen die Erinnerung daran wachhalten, dass Deutschland angesichts der Menschheitsverbrechen der Nazis besondere Verantwortung für den Frieden trägt. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! So lautet unumstößlich die Lehre, die wir Gewerkschaften aus der Geschichte gezogen haben – und für die wir uns heute wieder mit all unserer Kraft stark machen müssen.

Wir erleben derzeit den internationalen Abgesang auf eine Politik der Abrüstung, Entspannung und Zusammenarbeit und auf eine neue multilaterale Weltordnung, die wir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erhofft hatten. Stattdessen leben wir in einer Welt, die immer stärker aus den Fugen gerät. Nationalismus und Militarismus greifen wieder um sich und setzen eine neue Spirale der Aufrüstung in Gang. 75 Jahre nach dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 erreicht der nukleare Rüstungswettlauf ungeahnte Ausmaße. Alle neun Atommächte stecken Unsummen in die Modernisierung ihrer Nukleararsenale und Anfang des nächsten Jahres könnte mit dem russisch-amerikanischen „New Start“-Vertrag das letzte verbliebene Rüstungskontrollregime für Atomwaffen auslaufen. Auch deshalb ist es nicht hinnehmbar, dass die deutsche Bundesregierung sich weiterhin weigert, den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen zu unterzeichnen.

Welche Dimensionen das Wettrüsten inzwischen erreicht hat, zeigen die aktuellen Zahlen. Die globalen Rüstungsausgaben belaufen sich inzwischen auf 2 Billionen US-Dollar. Die deutsche Bundesregierung spielt dabei eine unrühmliche Vorreiterrolle. Deutschland ist nicht nur viertgrößter Rüstungsexporteur weltweit, sondern ist bei den Ländern mit den meisten Rüstungsausgaben auf den siebten Platz vorgerückt. Wenn die Bundesregierung die NATO-Zielvorgabe erfüllen würde, zwei Prozent des deutschen BIP für Verteidigung auszugeben, so könnte dies eine weitere Erhöhung des Wehretats um mehr als 20 Milliarden Euro bedeuten.

Die Corona-Krise führt drastisch vor Augen, wie verantwortungslos diese Geldverschwendung ist. Besonders deutlich zeigt sich dies im Globalen Süden. So sind etwa in vielen Ländern Lateinamerikas große Bevölkerungsteile schutzlos dem Virus ausgesetzt, weil es an einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung fehlt und die dortige Zwei-Klassen-Medizin Angehörige der Ober- und Mittelschicht privilegiert. Gleichzeitig sind die Rüstungsausgaben in der Region in jüngster Zeit stark angestiegen – Geld, das für den dringend nötigen Ausbau der Gesundheits- und Sozialsysteme fehlt. Aber auch im Falle Deutschlands legt die Corona-Krise schonungslos offen, wie gravierend die Fehlverteilung öffentlicher Mittel ist. Im Bundeshaushalt 2020 waren ursprünglich 12 Prozent der Ausgaben für den Verteidigungsetat vorgesehen, während nur ein Drittel davon in das Gesundheitssystem fließen sollte.

Es ist höchste Zeit, das Ruder herumzureißen! Die Pandemie, der Klimawandel, die Digitalisierung – all diese gewaltigen Herausforderungen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und vergrößern die soziale Ungleichheit. Wir müssen gegensteuern! Dafür sind neben einem starken und solide finanzierten Sozialstaat immense öffentliche Investitionen nötig – in Gesundheit und Pflege, in unser Bildungssystem, in eine sozial-ökologische Gestaltung der Energie- und Verkehrswende, in die kommunale und digitale Infrastruktur und in den sozialen Wohnungsbau. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich endgültig von der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO zu lösen und die für Rüstungsausgaben vorgesehenen Mittel in ein sozial gerechtes Deutschland und Europa mit nachhaltigen Zukunftsper-spektiven zu investieren.

Um dieser Forderung politischen Nachdruck zu verleihen, ruft der DGB als Partner der Friedensinitiative „Abrüsten statt Aufrüsten“ (https://abruesten.jetzt) öffentlich dazu auf, sich am diesjährigen Antikriegstag mit zahlreichen Aktionen zu beteiligen.

https://www.dgb.de/termine/++co++4a4bba86-f144-11e7-8351-52540088cada










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