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Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.
Reisebericht 2001
Die Backsteingotik des nördlichen Weichsellandes
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Das gotische Danzig
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Vor der Zerstörung der Altstadt von Danzig 1945-1946 galt diese als bedeutendste mittelalterliche Stadt im östlichen Bereich der Ostsee.
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Das war nur zum Teil richtig; denn in der Spätrenaissance und im Barock erfaßte eine grundlegende Neubebauung das ganze Stadtgebiet. Prächtige, äußerst prunkvolle großbürgerliche Hausbauten füllten den ganzen alten Stadtraum. Sie legen Zeugnis ab von der großen wirtschaftlichen Blüte der alten Hansestadt in dieser Epoche. Die Haupteinflüsse kamen aus den Niederlanden und Italien.
Der Wiederaufbau der Privathäuser in Danzig nach dem Kriege bemühte sich mit großem Erfolg, dieses Bild wiederherzustellen.
Vom gotischen Mittelalter sind zwar die mächtigen Backsteinkirchen allen voran die riesige Marienkirche, etliche Stadttore, Klosteranlagen, das Altstädter Rathaus am Langen Markt (Rathaus der Rechtstadt) und die große Mühle im so genannten "Slawischen Dorf" erhalten geblieben, aber bis auf wenige markante Bürgerhäuser - weitverstreut in der Altstadt - ist von der ursprünglich vorhandenen backsteingotischen Profanarchitektur nur sehr wenig erhalten.
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Die große Mühle übrigens - aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts - war mit ihren vielen Mühlrädern außerordentlich wichtig für die Versorgung der Hansestadt mit Mehl und Grütze; es dürfte eine der größten Mühlenanlagen im gesamten Ostseebereich gewesen sein.
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1945 brannte die Mühle aus. Der gewaltige Innenraum ist heute völlig modern gestaltet als Einkaufszentrum; am Außenbau hat sich nichts verändert.
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Wohl schon um 1250 begann man in Danzig, zumindest Kirchen und Befestigungen in Backstein zu bauen, wie die damals entstandene Nikolaikirche des Dominikanerordens in der Nordstadt es beweist. Im so genannten "Slawischen Dorf" - einem Nebenzentrum der eigentlichen Altstadt - haben wir den Baukomplex der Katharinenkirche (für die Gemeinde) und die Brigittenkirche dahinter (als Klosterkirche). Beide sind, von außen gesehen, schlichte, große Hallenkirchen, die aus städtebaulichen Gründen nur an den die Häuser weit überragenden Giebeln und Türmen reich verziert sind. Man darf nicht vergessen, daß die Wohnhausbebauung im Mittelalter bis nah an die Kirchen heranrückte.
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Im Inneren sind generell alle Danziger Kirchen mit sehr stark proportionierten Achteck-Pfeilern ausgestattet, die mühelos die reichen Stern-, Netz- und Zellengewölbe tragen. Ursprünglich müssen wir uns die Farbigkeit der Hallenkirchen sehr reich vorstellen. In den meisten Danziger Kirchen ist jedoch durch die teilweise Kriegszerstörung die Farbigkeit verloren, ebenso die Ausstattung mit farbenprächtigen Altären, Epitaphien, Gemälden und Gestühlen von der Renaissance bis zum Rokoko. Auch von der einstigen Buntverglasung haben sich nur bescheidene Reste erhalten. Natürlich trägt die überwiegend weiße Tünche mit sparsamer farbiger Betonung der Pfeilerkanten und Rippen wieder dazu bei, die hohen Hallen in ihrer ganzen Monumentalität zur vollen Wirkung kommen zu lassen.
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Interessant ist die Dreifaltigkeitskirche mit der daran anschließenden Annenkapelle, die in besonders eindrucksvoller Weise die dekorativen Möglichkeiten der spätesten Backsteingotik veranschaulichen.
Auf einem extrem einfachen Unterbau erheben sich völlig durchbrochene Pfeilergiebel; zwischen den überschlanken, senkrecht profilierten Pfeilertürmchen wird ein zartes Gewebe von kleinteiligen, krabbenbesetzten Spitzbogen und Dreiecksgiebeln gespannt. Man kann diese Giebel der Dreifaltigkeitskirche und der Annenkapelle als Höhepunkte der späten Danziger Backsteingotik bezeichnen.
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Die Marienkirche in der Stadtmitte steht an der Stelle zweier vorangehender Kirchenbauten, von denen der erste eine Basilika gewesen sein dürfte. Die erst kurz nach 1500 vollendete Marienkirche (Baubeginn 1343) ist die bis heute größte Backsteinkirche Europas. Die Maße sind gewaltig: Turnhöhe 80 m, Gewölbe 33 m, Länge 105 m, Länge 105 m, Breite 66 m im Querschiff.
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Erstaunlich in dieser Kirche ist der außerordentliche Reichtum an qualitätvollen Großaltären, Epitaphien, Gestühlen, Bildern und Orgelprospekten von der Spätgotik bis zum Klassizismus. Die heutigen farbigen Fenster, vor allem im Chorbereich, stammen aus der Nachkriegszeit; die mittelalterlichen Farbfenster sind aber wohl schon in der Reformation verschwunden. - Von außen betrachtet bildet der gewaltige Baukörper der Marienkirche die Krone der Altstadt, wobei die konturenreiche Dachlandschaft (Faltdächer, Spitztürmchen und Pfeilergiebel) bewußt auf Fernwirkung angelegt sind.
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Das Altstädter Rathaus am Langen Markt (Rathaus der Rechtstadt) ist in mehreren Bauetappen von der hohen Gotik über die Spätgotik bis zur Spätrenaissance hin entstanden. Die Hauptfront liegt zum Langen Markt hin und bildet hier die städtebauliche Dominante. Die überreiche Innenausstattung aus Renaissance und Barock ist insgesamt als ein Museum zu betrachten.
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An der Ostseite der Altstadt, das heißt an der Mottlau entlang, haben wir einige spätgotische Backsteintore als Abschluß der Altstadtstraßen.
Eben diese Gegend war am Ende des Krieges sehr zerstört. Gerade das berühmte Krantor und das so genannte Brotbäckertor sind als besonders charakteristische Beispiele der Ziegelarchitektur des 15. Jahrhunderts anzusehen und sind darum auch schon kurz nach dem Kriege wiederhergestellt worden. - An der Westseite der Altstadt steht der mehrgeschossige spätgotische Gefängnisturm als innerer Teil des dreigestaffelten Hochlandtores.
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Insgesamt kann man sagen, daß sich Danzig heute darbietet als eine Stadt, die aus schwerer Zerstörung wiedererstanden ist und mit Fug und Recht darauf warten darf, daß Touristen aus aller Welt diese Perle unter den alten Städten im Ostseegebiet wieder eifrig besuchen und bestaunen.
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