DIE WELT, 30.10.2013

Meinung - Deutsch-Polnisches

Deutsche interessieren sich kaum noch für Polen

Am 28. Oktober starb der frühere polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki. Ein passender Anlass auch für die Deutschen, sich selbst zu befragen, wie wichtig ihnen der Nachbar im Osten noch ist. Von Adam Krzemiński

Der deutsch-polnische Preis der beiden Außenministerien wurde 1991 im Freundschaftsvertrag festgeschrieben. Seine ersten Preisträger waren Willy Brandt, der mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze eine der Voraussetzungen für die bahnbrechenden Umwälzungen in Polen und im gesamten Ostblock schuf, die 1989 in der Öffnung der Mauer mündeten. Und Tadeusz Mazowiecki, der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident Polens, der 1980 die streikenden Werftarbeiter in Danzig beriet, im Frühjahr 1989 die Modalitäten der Machtübergabe an die Solidarność verhandelte und 1991 den Freundschaftsvertrag vorbereitete.

Diese hohe Auszeichnung erhielten unter anderem auch Marion Gräfin Dönhoff oder die Präsidenten a.D. Lech Wałęsa und Richard von Weizsäcker. Unter den Preisträgern war auch Hans Koschnik, nicht als Bremer Bürgermeister, sondern als Präsident des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, das Ende der 70er-Jahre von Karl Dedecius als eine Institution gegründet wurde, die Deutsch-Polnisches in der Bundesrepublik bekannt machen sollte. Die Förderung dieses Institutes wurde zu einer Herzenssache nicht nur der damaligen sozialliberalen Koalition, sondern auch engagierter Ostpolitker der Union, wie Bernhard Vogel.

Der damaligen Generation der deutschen Politiker, Kirchenmänner und Journalisten war klar, dass ausgerechnet diese Nachbarschaft längerfristiger Arbeit bedarf. Daran hat sich auch ein Vierteljahrhundert später nichts geändert, wenngleich bei der jüngeren Politiker- und Journalisten-Generation in beiden Ländern die Meinung vorherrschen mag, mit dem EU-Beitritt Polens hätten die bilateralen Bindungen keine besondere Relevanz mehr. Deutsch-polnische Themen gelten als "normal", also weder brisant noch unbequem.

Die deutsche Nabelschau


Das Fazit ist bedenklich. Sonntagsredner betonen, die deutsch-polnischen Beziehungen seien noch nie so gut gewesen wie jetzt, und der polnische Außenminister erwartet von Berlin mehr Führungskraft in Europa. Doch zugleich sinkt Polen - der anscheinend pflegeleichte Nachbar im Osten - auf der Aufmerksamkeitsskala in den unteren Bereich.

Die Stiftungen ziehen sich aus deutsch-polnischen Projekten zurück, Medien bringen polnische Themen bestenfalls in der Rubrik "Verschiedenes". Die Nabelschau und Selbstgefälligkeit einer neuen "Hegemonialmacht" hat in der deutschen Provinz Vorrang.

Das traurigste Beispiel liefert ausgerechnet das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz, das die Subventionierung des Deutschen Polen-Instituts ab 2015 einstellen will. Auf die geballte Kritik aus Polen und Deutschland, unter anderem von Staatspräsident Bronis?aw Komorowski, Rita Süssmuth und vor allem Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, bis vor kurzem noch Präsident des DPI, kam aus Mainz nur die forsche Antwort, man nehme sie zur Kenntnis. Man müsse aber sparen. Soll in Mainz das DPI also dem Nürburgring-Desaster zum Opfer fallen? Das ist nicht im Geiste Brandts und Mazowieckis.

Adam Krzemiński ist ein polnischer Publizist und lebt in Warschau.





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