Sehr geehrter Herr Botschaftsrat Brzeziński,
sehr geehrter Herr Präsident Motas,
sehr geehrter Herr Stadtratsvorsitzender Kulas,
sehr verehrte Frau Klinska,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
In die Chronik der Stadt Witten ist das Jahr 1979 als ein Jahr der Städtepartnerschaften eingegangen. Damals hatte der Rat unserer Stadt beschlossen, nach der 1975 besiegelten Partnerschaft mit der schönen nordfranzösischen Stadt Beauvais drei Städtepartnerschaften einzugehen.
So wurde im Mai 1979 mit der feierlichen Vertragsunterzeichnung die Partnerschaft mit dem landwirtschaftlich geprägten Moshav Ein-Wered in Israel begründet. Diese Partnerschaft fand im März 19 85 eine Erweiterung auf den neu gebildeten Kreis Lew Hasharon. Es folgte am 27. September 1979 die Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags mit dem London Borough of Barking and Dagenham und am 16. November 1979 die Vertragsunterzeichnung mit der österreichischen Nationalparkgemeinde Mallnitz.
Die Partnerschaften orientierten sich mit Ausnahme von Mallnitz an Bürgerinitiativen, in denen sich lange Jahre Bürger um Aussöhnung mit den Menschen der Staaten, denen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg soviel Leid zufügte bemüht hatten.
Damit waren die vier Partnergemeinden Wittens im Symbol des glücksbringenden vierblätterigen Kleeblattes vereint. Zurückschauend läßt sich heute feststellen, daß in der Tag die 1975 und 1979 eingegangenen Städtepartnerschaften eine geglückte Entwicklung genommen haben. Man kann von echten Partnerschaften reden, es haben sich zahlreiche Freundschaften über die Staatsgrenzen hinweg entwickelt.
Wie es derzeit aussieht, wird das Jahr 1990 logischerweise ein ähnliches Partnerschaftsjähr wie 1979.
Wir haben nun die Möglichkeit, die gewünschte Aussöhnung durch Kontakte nach Osteuropa aufzunehmen, und - wo sie schon lange durch Bürgerinitiativen laufen - zu vertiefen.
Ungläubig, ja zum Teil fassungslos, aber voll tiefer Freude durften wir die dramatischen und friedlichen revolutionären Entwicklungen in der DDR und anderen Staaten Osteuropas erleben. Wer hätte vor nicht einmal einem Jahr gedacht, daß unsere Stadt bereits am 7. April dieses Jahres mit der Stadt Wolfen im Kreis Bitterfeld in der DDR einen Partnerschaftsvertrag abschließen würde. Natürlich hat die Städtepartnerschaft Witten-Wolfen eine andere Dimension als die übrigen Partnerschaften. Hier ist zur Zeit noch viel Hilfe und Unterstützung für die Wolfener erforderlich. Erfreulich sind die schon jetzt unzähligen Kontakte und Freundschaften zwischen den Menschen beider Städte.
Heute sind wir hier im großen Sitzungssaal des Rathauses zusammen gekommen, um eine Städtefreundschaft mit der Stadt Tczew in Polen zu begründen. Schon in vierzehn Tagen wird eine Wittener Delegation in die UdSSR reisen, um dort der Unterzeichnung eines Partnerschaftsabkommens mit dem Stadtteil Industrie der Stadt Kursk durch die Repräsentanten beider Städte beizuwohnen. Schließlich wird in der ersten Oktober-Hälfte dieses Jahres die Bürgermeisterin von San Carlos in Nicaragua in Witten sein, denn bei aller Freude über die Entwicklung in Osteuropa wollen wir die riesigen Probleme in der Dritten Welt nicht vergessen.
Wenn es heute durch die Repräsentanten der Städte Tczew und Witten zur Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen den beiden Städten kommt, so gibt es dazu eine lange Vorgeschichte. Es gibt zu dieser Stadt in der Republik Polen mehr Beziehungen, als manche Wittener derzeit glauben mögen.
Die am Unterlauf der Weichsel vor den Toren Danzigs gelegene Stadt Tczew hat eine sehr wechselvolle Geschichte. In ihrer über 700jährigen Geschichte stand die vom pommerellischen Herzog Sambor begründete Stadt immer wieder im Brennpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen. Stets stand sie im Spannungsfeld deutsch-slawischer Beziehungen. Die Stadt ist deutschen Ursprungs. Ihr Name war Dirschau, nach dem zweiten Weltkrieg erhielt sie ihren heutigen polnischen Namen Tczew.
Herzog Sambor, der Gründer der Stadt, war ein Freund und Förderer der Deutschen. Er rief deutsche Edelleute in sein Land, belehnte sie mit Grundbesitz und übertrug ihnen wichtige Amter in seinem Staatswesen. Deutsche Kaufleute, Handwerker und vor allem Bauern waren es, die bald die blühende Siedlung Dirschau entstehen ließen. Schon 1260 erhielt Dirschau Stadtrechte.
Aus der wechselvollen Dirschauer Geschichte hier nur einige Daten aus den letzten gut 200 Jahren: Friedrich der Große erwirbt 1772 Westpreußen und das seit gut 200 jähren zu Polen gehörende Dirschau wird wieder deutsch. Im Jahre 1920 wird Dirschau nach dem verlorenen ersten Weltkrieg als Teil des polnischen Korridors polnisch. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wird Dirschau 1939 dann wieder deutsch, um 1945 nach dem zweiten Weltkrieg wieder unter polnische Verwaltung zu kommen. Es kam zur Vertreibung großer Teile der deutschen Bevölkerung.
In Hamburg wurde am 6. April 1949 die Landsmannschaft Westpreußen gegründet und am 15. und 16. Oktober 1949 kam es in Celle zu einem ersten großen Treffen der Westpreußen. Eingefunden hatten sich hier auch etwa 100 Dirschauer. Schon damals wurde der Wunsch nach einem engeren Zusammenschluß und nach regelmäßigen Treffen aller Dirschauer laut.
Nachdem bereits eine Reihe westpreußischer Städte in der Bundesrepublik eine Patenstadt gefunden hatten, die ihnen stellvertretende Heimat werden wollte und in deren Mauern Zusammenkünfte stattfanden, bemühte sich auch der Dirschauer Heimatkreisausschuß um eine Patenstadt. Und die Dirschauer fanden sie mit unserer Stadt. Nachdem im Frühjahr 1958 die ersten Verhandlungen stattgefunden hatten, beschloß der Rat der Stadt Witten unter dem Vorsitz des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Reincke am 30. September 1958, über die in der Bundesrepublik ansässig gewordenen Vertriebenen aus der Stadt und dem Kreis Dirschau die Patenschaft zu übernehmen. Im Rahmen einer Feierstunde wurde dann am 14. Juni 1959 in diesem Rathaussaal die Patenschaftsurkunde an den Heimatkreisvertreter Albert Rentz überreicht.
Die Urkunde hat folgenden Wortlaut: "Die Stadt Witten übernimmt nach dem Beschluß des Rates der Stadt vom 30.09.1958 die Patenschaft über die in der Bundesrepublik ansässig gewordenen Vertriebenen der Stadt und des Kreises Dirschau. Die Stadt Witten bekundet mit der Patenschaftsübernahme ihre Verbundenheit mit den vertriebenen Dirschauern und darüber hinaus mit allen Vertriebenen Deutschen. Die möchte insbesondere allen vertriebenen Dirschauern Mittelpunkt ihres geistigen und kulturellen Zusammenlebens sein."
Seitdem bestehen zwischen der Stadt Witten und den ehemaligen Dirschauern intensive Beziehungen. Viel guter Wille und aufopferungsvolle Arbeit haben die Patenschaft zu einer gut funktionierenden Einrichtung gemacht. Regelmäßig wiederkehrende Treffen der Dirschauer haben die Gedanken an die alte Heimat wach gehalten und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt. Die Dirschauer sehen heute ihre Hauptaufgabe darin, das Kultur- und Gedankengut der alten Heimat zu erhalten und zu pflegen. Vom 2. bis 4. Juni des vergangenen Jahres konnte das 30jährige Bestehen dieser Patenschaft im Rahmen einer großen Festveranstaltung würdig begangen werden.
Mitglieder des Heimatkreises Dirschau bemühen sich seit vielen Jahren, durch Reisen in ihre frühere Heimatstadt dauernde Kontakte mit den heutigen Dirschauern zu knüpfen. So gab es mehrere Gruppenreisen mit der Volkshochschule nach Dirschau. Es kam zu sportlichen Begegnungen, viele Freundschaften wurden inzwischen geschlossen. Erst kürzlich konnte ich hier bei uns in Witten eine Musik- und Tanzgruppe junger Menschen aus Tczew begrüßen. Sie erfreute u.a. unsere Bevölkerung mit Darbietungen auf dem Rathausplatz. Im Oktober dieses Jahres wird voraussichtlich eine Gruppe junger Wittenerinnen und Wittener nach Tczew fahren.
Es gibt also Beziehungen vielfältiger Art zwischen Witten und Tczew seit geraumer Zeit. Am 5. März dieses Jahres beschloß der Rat unserer Stadt, mit der Stadt Tczew einen Freundschaftsvertrag abzuschließen. Grundlage dieses Beschlusses war der Entwurf einer Vereinbarung, den der damalige Präsident der Stadt Tczew, Czesław Glinkowski, mit Schreiben vom 22. Januar 1990 übermittelt hatte.
Mit dem gleich zu unterzeichnenden Freundschaftsvertrag wollen die beiden Städte auf der Grundlage der bisherigen Kontakte und Erfahrungen zur weiteren Verbesserung der Beziehungen der Menschen in Polen und in Deutschland beitragen. Sie tun das in der Überzeugung, daß die Zusammenarbeit zwischen ihnen der Bereicherung aller Lebensbereiche und vielseitiger Kontakte zwischen den Bürgern beider Städte dient.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten wollen die beiden Städte den Austausch in allen Lebensbereichen, vor allem in der Bildung, der Kultur und im Sport, pflegen und verstärken. Die Zusammenarbeit soll insbesondere unmittelbare Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen, Verbänden und Jugendgruppen beider Städte herstellen. Dieser Freundschaftsvertrag soll die Beziehungen der Menschen in beiden Städten zueinander vertiefen helfen.
Ich bin mir dessen bewußt, daß die heutige Vertragsunterzeichnung von verschiedenen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt mit zwiespältigen Gefühlen und vielleicht auch mit Bitterkeit im Herzen verfolgt wird.
Wir unterschreiben das Akommen zwischen Tczew und Witten vor dem Hintergrund der am 21. Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verabschiedete Entschließung über die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze, die gleichlautend auch von der Volkskammer der DDR verabschiedet wurde. Danach wird die zwischen der Republik Polen und dem bald vereinten Deutschland bestehende Grenze für unverletzlich erklärt und daß beide Staaten gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden.
Natürlich ist es richtig, daß Millionen von Deutsche, die aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden, großes Unrecht geschehen ist. Dabei darf aber auch nicht vergessen werden, daß dem polnischen Volk durch Verbrechen, die von Deutschen und im deutschen namen begangen worden sind, schreckliches Leid zugefügt sein: Dieser für die Heimatvertriebenen gewiß schmerzliche Schritt der endgültigen Anerkennung der polnischen Westgrenze hätte schon früher erfolgen sollen. Man hätte schon früher den Vertriebenen sagen sollen, daß die alte Heimat nicht nach 1945, sondern schon 19 39 durch Hitler und seine verbrecherische Kriegspolitik verspielt worden ist.
Für mich bleibt zu hoffen, daß im Gedenken an die tragischen und schmerzlichen Seiten der Geschichte auch ein vereintes Deutschland und die Republik Polen die Politik der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen konsequent fortsetzen, daß sie ihre Beziehungen im Blick auf die Zukunft gestalten und damit ein Bespiel für gut nachbarschaftliche Beziehungen geben. Dazu können auch die Menschen aus Tczew und Witten ihren bescheidenen Beitrag leisten.
Mit dem gleich zu unterzeichnenden Freundschaftsvertrag wollen die beiden Städte auf der Grundlage der bisherigen Kontakte und Erfahrungen zur weiteren Verbesserung der Beziehungen der Menschen in Polen und in Deutschland beitragen. Sie tun das in der Überzeugung, daß die Zusammenarbeit zwischen ihnen der Bereicherung aller Lebensbereiche und vielseitiger Kontakte zwischen den Bürgern beider Städte dient.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten wollen die beiden Städte den Austausch in allen Lebensbereichen, vor allem in der Bildung, der Kultur und im Sport, pflegen und verstärken. Die Zusammenarbeit soll insbesondere unmittelbare Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen, Verbänden und Jugendgruppen beider Städte herstellen. Dieser Freundschaftsvertrag soll die Beziehungen der Menschen in beiden Städten zueinander vertiefen helfen.
Ich bin mir dessen bewußt, daß die heutige Vertragsunterzeichnung von verschiedenen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt mit zwiespältigen Gefühlen und vielleicht auch mit Bitterkeit im Herzen verfolgt wird.
Wir unterschreiben das Akommen zwischen Tczew und Witten vor dem Hintergrund der am 21. Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verabschiedete Entschließung über die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze, die gleichlautend auch von der Volkskammer der DDR verabschiedet wurde. Danach wird die zwischen der Republik Polen und dem bald vereinten Deutschland bestehende Grenze für unverletzlich erklärt und daß beide Staaten gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden.
Natürlich ist es richtig, daß Millionen von Deutsche, die aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden, großes Unrecht geschehen ist. Dabei darf aber auch nicht vergessen werden, daß dem polnischen Volk durch Verbrechen, die von Deutschen und im deutschen namen begangen worden sind, schreckliches Leid zugefügt sein: Dieser für die Heimatvertriebenen gewiß schmerzliche Schritt der endgültigen Anerkennung der polnischen Westgrenze hätte schon früher erfolgen sollen. Man hätte schon früher den Vertriebenen sagen sollen, daß die alte Heimat nicht nach 1945, sondern schon 19 39 durch Hitler und seine verbrecherische Kriegspolitik verspielt worden ist.
Für mich bleibt zu hoffen, daß im Gedenken an die tragischen und schmerzlichen Seiten der Geschichte auch ein vereintes Deutschland und die Republik Polen die Politik der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen konsequent fortsetzen, daß sie ihre Beziehungen im Blick auf die Zukunft gestalten und damit ein Bespiel für gut nachbarschaftliche Beziehungen geben. Dazu können auch die Menschen aus Tczew und Witten ihren bescheidenen Beitrag leisten.