(pw) Es seien ereignisreiche und anstrengende Tage gewesen, aber es habe sich gelohnt. In diesem Urteil waren sich die Repräsentanten der nunmehr offiziell miteinander befreundeten Städte Tczew und Witten einig. President Ferdynand Motas, Stadtdirektor Reinhard Wiederhold und Bürgermeister Klaus Lohmann betonten beim AbschluBessen am Mittwoch abend In den Theaterstuben denn auch übereinstimmend: „Wir sind uns menschlich näher gekommen und haben Vertrauen zueinander gefunden." Motas wurde begleitet vom Vorsitzenden des Rates, Jan Kulas, der Kulturbeauftragten Teresa Klinska und seiner Tochter Alizja.
Ein dicht gefüllter Terminkalender ließ den Gästen nur wenig Zeit für private Unternehmungen. Neben den offiziellen Gesprächen über die künftigen Beziehungen zwischen den beiden Städten standen auch Besuche bei der Wohnungsgenossenschaft Witten-Ost, im Bundesbahn-Aus-besserungswerk, im Saalbau sowie bei Feuerwehr und Stadtreinigungsamt auf dem Programm. Sie zeigten sich dabei besonders interessiert an Fragen der Müllabfuhr und der kommunalen Finanzierung. Auch der Wohnungsbau war ein wichtiges Thema, Jan Kulas berichtete, daß dies derzeit das größte Problem in Tczew sei.
Auch mit der Arbeitslosigkeit wird die 60 000-Einwohner-Stadt, rund 30 Kilometer südlich von Gdańsk (Danzig) gelegen, in Zuunft mehr zu kämpfen haben. Derzeit sind, so Ferdynand Motas, rund 1 000 Arbeitslose registriert. Ihre Zahl wird steigen, wenn unrentable Betriebe dem marktwirt-schaftlichen Druck nicht standhalten können und Personal entlassen oder gar schließen müssen.
Lange Vorschlagsliste
Eine lange Liste von Vorschlägen für den Austausch auf kulturellem Gebiet legte Teresa Kiinska vor. So könnten regelmäßig Ausstellungen auf den Gebieten Malerei, Fotografie, Kunstgewerbe, bildende Kunst usw. stattfinden. Auch Kontakte zwischen Schriftstellern, Film- und Bücherfreunden, Lehrern und Ärzten sind bei der polnischen Seite willkommen. Brieffreundschaften zwischen Schülern – überwiegend in deutscher Sprache – können die Basis für weitere Kontakte sein. Die Vorschläge wurden von der Wittener Seite positiv aufgegriffen. Das Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Städtepartnerschaften ist Ansprechpartner für alle Wittener Gruppen und auch Einzelpersonen.
Am ersten Oktober-Wochenende wird eine Wittener Delegation, bestehend aus Vertretern von Rat und Verwaltung, zur Gegenzeichnung des Freundschaftsvertrages nach Tczew fahren. Sie wird dabei begleitet von einer Jugendgruppe und von einer Bürgergruppe, zu der auch Vertreter des Heimatkreises Dirschau gehören werden.
Der Vorstand des Heimatkreises, für den Georg Liedtke (Witten) und Georg Grams (Bochum) sprachen, begrüßt den Vertrag und wird zu einer Vertiefung der Beziehungen beitragen, so wie er schon in der Vergangenheit an der Basis dafür mitgearbeitet hat. Zwar rechnet Georg Grams beim nächsten Treffen der Dirschauer mit kontroversen Diskussionen, doch er ist sicher: „Die Entwicklung wird uns recht geben."
Ferdynand Motas, „Präsident der Stadt" lautet, ist in Tczew Chef der Verwaltung und oberster Repräsentant der Stadt. Der 48jährige gelernte Schiffsbau-Ingenieur gehört der der Gewerkschaft Solidarnos´c´ nahestehenden „Bürgerinitative" an und wurde nach den freien Wahlen vom Mai am 21. Juni in sein Amt berufen. Sein Arbeitgeber hat ihn dafür zunächst auf vier Jahre beurlaubt. Er und seine Tochter Alizja (21) bezeichneten Witten als eine „schöne Stadt mit viel Grün", die Luft gleiche der in einem Kurort.
Jan Kulas (33) ist Vorsitzender des Rates von Tczew, er übt diese Funktion ehrenamtlich aus. Wie Ferdinand Motas hat auch er lange Jahre im Untergrund für die Solidarność gearbeitet. Kulas ist von Beruf Lehrer und unterrichtet u.a. Geschichte an einer Technik-Schule. Zwei der größten Problemebeiseiner Arbeits ind die Wohnungsnot und die Arbeitslosigkeit.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Witten, 10. 8. 1990