WAZ Witten Nummer 140 Samstag, 19. Juni 1993
Jörg Fruck und Ralf Volkert (beide Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Städtepartnerschaften) sowie Reinhard Schulte (Kulturamt) machten sich als Vortrupp mit zwei Transportern des größten Wittener Möbelhauses, in dem sich das technische Equipment befand, auf den über 1000 Kilometer langen Weg. Zwei Reisebusse und Kleinbusse folgten am 10. Juni mit den Vertretern der Stadt. den Künstlern und Delegierten des Heimatkreises Dirschau, die aus dieser Patenschaft eine Partnerschaft werden ließen.
Einen Tag nach der rund 15stündigen Fahrt begann die Arbeit. Die Künstler besichtigten die Spielstätten. Die Vertreter der Stadt, zu denen Bürgermeister-Stellvertreter Paul Disselhoff (CDU), die Ratsmitglieder Wolfgang Aufermann. Helga Hamdorf-Bruckmüller. Fritz-Gerhard Schall und Klaus Hebell (alle SPD), Isolde Herberg, Siegfried Nimsch (CDU) und Ulf-Hagen Ruttmann (Grüne) gehörten, nahmen an einem Empfang teil. Präsident Motas machte sie mit seinen Mitarbeitern in den Kulturbereichen bekannt.
Offizielle und Künstler nahmen außerdem an diesem Tag die Möglichkeit wahr, die Stadt Danzig zu besichtigen. Für alle ein ErIebnis, diese alte Stadt mit ihren zahlreichen Patrizierhäusern im strahlenden Sonnenschein zu sehen.
Abends gab es ein deutsch-polnisches Fest, bei dem vor allem die Künstler erste Kontakte zu den Gastgebern knüpfen konnten.
In seiner Eröffnungsrede am Samstagmorgen im "Amfiteatr" bekundete Präsident Motas seine Freude und sein großes Interesse an diesem Fest in Tczew. Er dankte den Wittenern für ihre Unterstützung bei einigen Projekten. Durch solche Feste könne der gemeinsame Zugang zu Europa gefunden werden. Paul Disselhoff betonte: „Partnerschaften leben von Begegnungen und sind nicht von Politikern vorgegeben“, betonte Disselhoff.
Anschließend gab es für die Vertreter der Stadt Witten ein Geschenk: T-Shirts mit den Wappen der Städte, die noch auf der Bühne anprobiert wurden. Präsident Motas sagte dazu: „Dies ist ein Geschenk vom Präsidenten. nicht viel wert, aber sehr attraktiv“.
Verstreut auf verschiedene Einrichtungen begann das Programm. In der Bibliothek zeigten die Maler Marjana Scheriau, Rolf Hopf und Lutz Quambusch sowie Ulrich Sassenberg (Fotografien) und Wolfgang Gillwald (Holzstrukturen) ihre Werke. Auch der Heimatkreis Dirschau war hier vertreten. Diese Ausstellung wird noch vier Wochen in Tczew bleiben.
Die vierköpfige Gruppe Leuchtstoff präsentierte im Weichselmuseum eine Performance, bei der durchscheinende Strukturen und Zeichen auf weißes Papier projiziert und dann bemalt wurden. Am gleichen Ort fanden außerdem eine Fotoausstellung und eine Diashow von Jörg Fruck und der Stadt Witten statt. Im Kulturhaus der Eisenbahner traten 55 Sänger des Kinder- und Jugendchores Kinereth mit Folklore aus England, Amerika und Israel auf. Für diesen Anlaß hatte der Chor auch ein polnisches Lied einstudiert. Gemeinsam mit dem 13köpfigen Kirchenchor Juventus aus Tczew sangen die jungen Leute einen spontan gemeinsam einstudierten Gospelsong.
Das Kinder- und Jugendtheater führte das Stück "Guten Tag, kleines Schweinchen" von Janosch auf. Die kleinen Zuschauer machten trotz der Sprachschwierigkeiten begeistert mit.
Die Gruppe Am 13 jungen Leuten zeigten ihre Geschicklichkeit heim Jonglieren und führten Pantomimen auf. Gymnastik-Gruppe von Carmen Rischer eröffnete den Abend im Amfiteatr. Die acht Schülerinnen des Schillergymnasiums machten Übungen mit Reifen und Bändern.
Funke sprang auch im Regen
Die „Crowns“, Wittens älteste Beatband, sorgten trotz des einsetzenden strömenden Regens für eine unbeschreibliche Stimmung im Publikum, das sich zum Teil schützende Plastikplanen über die Köpfe hielt, mitsang, mitklatschte und in einer langen Polonaise !her die Bänke zog. Den jun-
gen Leuten der Wittener Delegation, die auf der Tribune saßen, gelang es dabei, auch die Zuhörer der Gaststadt mit einzubeziehen. Als der Kinderund Jugendchor Kinereth auf die Bühne gerufen wurde, gingen viele der anderen Wittener Gruppen und junge Leute aus Polen mit. Über 150 Leute standen plötzlich hinter den „Crowns“ und sangen gemeinsam mit ihnen „California Dreaming“.
Die fünfköpfige Wave-RockGruppe Tears of Passion zog anschiießend ihr Publikum mit ihrer Musik und Bühnenshow an. Zum Schluß gab es ein von dem Wittener Gerd Kühn vorbereitetes Feuerwerk. Zu den Klängen von Carmina Burana wurden Raketen abgeschossen, die sich am nächtlichen Himmel über Tczew entfalteten.
Für den Veranstalter (Stadt Witten) war der Witten-Tag ein gelungenes Freundschaftsfest. Schattenseiten gab es aber auch, vor allem für die Künstler. Schlechte Organisation und lnformation am Ort ließen manchem die Haare zu Berge stehen. Außerdem war das Interesse an den Veranstaltungen von Seiten der Tczewer Bürger für manchen Wittener eine Enttäuschung. Mangelnde Information am Ort war hier wohl schuld. Auch für die Organisatoren aus Witten war dieses Fest ein recht schwieriges Unterfangen, da sie äußerst wenig Unterstützung von der Stadt Tczew bekamen. Sie versuchten unter diesen Bedingungen jedoch ihr Möglichstes.
Ein großes Lob sollte vor alIem den Wittener Gruppen ausgesprochen werden. Alle beteiligten sich kostenlos an diesem Unternehmen. Sie Ieisteten als Botschafter der Stadt Witten Hervorragendes.
Aus Tczew berichten: Christa Lübeck (Text). Ulrich Sassenberg (Fotos)
Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Witten, 19. 6. 1993