Ausstellung |
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Ausleihtermine |
Alte Weichselbrücke Dirschau |
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24. 11. 2004 -
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Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3
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Januar 2003 |
1st International Congress on Construction History
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05. 09. 2002 -
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Termin noch
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Universität Wuppertal
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04. 2002 -
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12. 2001 -
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Universität Stuttgart
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10. 11. 2001 -
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TU Cottbus
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Mai 2001 -
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Westpreußisches Landesmuseum
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28. 04. 2001 -
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VDI Braunschweig
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23. 03. 2001 -
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IST Luxemburg
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Mai 2001 |
Stadt Werder
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20. 11. 2000 -
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ETH Zürich
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01. 10. 2000 -
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TU Dresden
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02. 09. 2000 -
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Universität Kaiserslautern
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In Tczew (Dirschau), Polen, bilden die Weichselbrücken ein historisch bedeutsames Ensemble. Insbesondere die drei überkommenen und heute denkmalgeschützten Felder der Alten Weichselbrücke von 1857 stellen zusammen mit den vier Pfeilertürmen ein in ihrer Art einzigartiges Monument der Technik- und Zeitgeschichte dar.
Der unmittelbare Anlaß für die Errichtung der ersten Brücke in den Jahren 1850 - 1857 war der Bau der sogenannten Preußischen Ostbahn von Berlin nach Königsberg. Noch 1840 gab es auf dem Kontinent nur einzelne kurze Eisenbahn-strecken. Doch danach folgte ein geradezu stürmischer Ausbau des mitteleuropäischen Eisenbahnnetzes. Eine Streckenkarte von 1860 zeigt bereits auch den Verlauf der Preußischen Ostbahn, die hier bei Tczew die Weichsel kreuzt.
Die Trasse der nach 1840 geplanten Bahn führte quer durch das Weichseldelta. Zwei für die damalige Zeit außergewöhnliche Großbrücken wurden erforderlich: Eine zur Überquerung der eigentlichen Weichsel hier in Tczew (Dirschau) und eine kürzere Brücke zur Überquerung der Nogat bei Malbork (Marienburg). Wegen der regel-mäßigen Hochwässer und insbesondere wegen des winterlichen Eisgangs waren Brückenbauwerke mit großen Spannweiten erforderlich, um den Durchflußquerschnitt möglichst wenig einzuengen.
Der Bau der Ostbahn wurde vom preußischen Staat in eigener Regie durchgeführt, und mit der Leitung der Brückenprojekte wurde ein hoher Ministerialbeamter, der Geheime Oberbaurat Carl Lentze, beauftragt. Lentze plante in Tczew zunächst die Ausführung einer Kettenbrücke, wie er sie anläßlich einer Informationsreise nach Großbritannien kennengelernt hatte, wo er die von Thomas Telford erbaute Brücke über die Menai-Straits besucht hatte.
Bald nach dem Beginn mußten 1847 die Bauarbeiten an der Ostbahn nochmals eingestellt werden, und zwar wegen finanzieller Engpässe des preußischen Staates und wegen der Unruhen im Vorlauf des Revolutionsjahres 1848. Carl Lentze nutzte die Zeit der Bauunterbrechung zu einer zweiten Informationsreise nach Großbritannien, wo er insbesondere die Baustelle der Britannia-Bridge in Wales besuchte und dieses Projekt von Robert Stephenson eingehend studierte.
Nach seiner Rückkehr gab Lentze das Projekt der Kettenbrücke auf und entschloß sich, in Tczew und Malbork ebenfalls Balkenbrücken auszuführen. Während aber die 1850 fertiggestellte Britannia-Bridge als sogenannte Tubular-Bridge (Röhren-Brücke) Kastenträger mit vollwandigem Querschnitt aufwies, wählte Lentze für die Brücken der Ostbahn aufgelöste Träger mit feinmaschigen Gitternetzen, und zwar in Tczew mit 6 Öffnungen von je 131 m Spannweite. Bei dieser Entscheidung mag die Besichtigung der in Bau befindlichen Royal Canal Bridge der Dublin-Belfast-Eisenbahn während der ersten Informationsreise eine Rolle gespielt haben. Die dort 1845 fertiggestellte Gitterbrücke hatte allerdings nur 43 m Stützweite und war konstruktiv anders gestaltet, was zu Schäden führte. Diese irische Brücke war amerikanischen Gitterbrücken aus Holz der Bauart Town nachgebildet worden. Als 1851 der Reisebericht von Culmann über den Bau der hölzernen Brücken in den Vereinigten Staaten erschien, mag dieser für Lentze eine Bestätigung der getroffenen Entscheidung gewesen sein.
Die statischen Berechnungen und Detailkonstruktionen der Dirschauer Brücke erfolgten durch Eduard Schinz, einen überaus tüchtigen, in der Schweiz geborenen Ingenieur. Schinz verstarb 1855 noch während der Bauzeit, wurde in Tczew begraben und erhielt in Würdigung seiner Leistung ein Grabmal aus Granit von der preußischen Regierung, das heute leider nicht mehr existiert. 1851 fand die feierliche Grundsteinlegung durch den preußischen König am Widerlager auf der Seite von Tczew statt. Um die erforderliche Gesamtlänge der Brücke auf 837 m zu beschränken, wurde das rund 1000 m breite Flutgelände der Weichsel am östlichen Ufer örtlich durch Deichbauten eingeengt.
Der Bau der Alten Weichselbrücke erfolgte zwar durch die preußische Regierung, sie war aber eingebunden in die internationale Entwicklung des Brückenbaus und gilt als ein wahrer Meilenstein in der Geschichte des Ingenieurbaus. Folgerichtig wurde diese Pionierleistung Vorbild für eine große Zahl von großen und kleinen Brückenbauwerken, so z. B. für die erste Eisenbahnbrücke über den Rhein in Köln. Diese wurde 1859 zwei Jahre später als die Brücke in Tczew fertiggestellt und hatte nur Stützweiten von 105 m.
Die alte Brücke war sowohl für die Eisenbahn als auch für den Straßenverkehr mit Fuhrwerken eingerichtet. Das Eisenbahngleis war in eine hölzerne Bohlenfahrbahn eingebettet. Natürlich mußte die Brücke vor jeder Zugfahrt rechtzeitig gesperrt werden. In den folgenden Jahrzehnten nahm der zunächst spärliche Eisenbahnverkehr stark zu, so daß für den Straßenverkehr allmählich unerträgliche Zustände entstanden. Infolgedessen entschloß man sich zum Bau einer zweiten Brücke, die 1888 - 1891 als reine zweigleisige Eisenbahnbrücke in 40 m Abstand neben der alten Brücke gebaut wurde, die daraufhin ausschließlich für den Straßenverkehr zur Verfügung stand.
Um den Abflußquerschnitt der Weichsel nicht zusätzlich zu stören, erhielt die neue Brücke die gleichen Pfeilerstellungen wie die alte. Für die sechs Felder wurden nunmehr große Fischbauchträger gewählt.
Zu Beginn unseres Jahrhunderts zwangen schwere Überflutungen zu einer Neuregulierung der Abflüsse von Weichsel und Nogat. Dabei mußte auch die künstliche Einengung der Weichsel bei Tczew wieder rückgängig gemacht werden. Infolgedessen mußten auch beide Brücken um etwa 250 m verlängert werden, was in den Jahren 1910 - 1912 durch jeweils drei Felder mit einfachen, parallelgurtigen Fachwerken geschah. In dieser Konfiguration überdauerten die Brücken unbeschadet die Zeit bis zum 2. Weltkrieg. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges gehörten die Brücken zu Polen, und das Gebiet des Weichseldeltas zwischen Tczew und Malbork war Teil der Freien Stadt Danzig.
Als im Sommer 1939 die Gefahr eines deutschen Überfalls auf Polen wuchs, wurde von der polnischen Armee die Sprengung beider Brücken als Verteidigungsmaßnahme vorbereitet, was der deutschen Seite bekannt wurde. Als in den frühen Morgenstunden des 1. Septembers 1939 der deutsche Angriff auf Polen begann, versuchte die deutsche Wehrmacht, die Brücken mit einem handstreichartigen Unternehmen unzerstört in die Hand bekommen. Diese Aktion mißlang, die Sprengung erfolgte nach einigen Kämpfen, und jeweils drei Felder der Brücken von 1857 und 1891 gingen verloren.
Militärhistorische Untersuchungen ergaben, daß der Beginn der Aktion gegen die Tczew-Brücken möglicherweise die allerersten Kampfhandlungen des 2. Weltkrieges waren. Damit sind die Brücken auch ein zeitgeschichtliches Mahnmal, das an den Beginn dieses schrecklichen Krieges erinnert.
Während des Krieges wurde von deutscher Seite die Eisenbahnbrücke innerhalb weniger Wochen zunächst durch eine aus der Achse verschwenkte Behelfsbrücke ergänzt. Diese wurde dann innerhalb eines Jahres durch eine dauerhaftere Konstruktion in der Brückenachse ersetzt. Die alte Brücke verblieb als Rudiment. Sie wurde nur für Fußgänger genutzt und hierzu am Ende durch einen Steg mit der Eisenbahnbrücke verbunden.
Am Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Eisenbahnbrücke erneut gesprengt, diesmal von den Deutschen. Der polnische Wiederaufbau nach dem Krieg führte in einzelnen Schritten zu dem heutigen Zustand der beiden Brücken, der sich nun aus vielen unterschiedlichen Teilen zusammensetzt, an denen ihr bewegtes Schicksal ablesbar ist. Sie sind somit ein unmittelbares Denkmal der europäischen Geschichte.
Die im Originalzustand von 1857 erhaltenen drei Felder der alten Weichselbrücke stellen darüberhinaus ein wahrlich einzigartiges technisches Denkmal des frühen Ingenieurbaus dar, nach dem die Britannia-Bridge in Wales in jüngerer Zeit ersetzt wurde. Es sollte eine unbedingte europäische Aufgabe sein, Polen bei der Erhaltung dieser einmaligen überkommenen Bausubstanz zu unterstützen.
Mit Beiträgen von Groh, Christoph; Maedel, Karl E.; Modrzejewski, Marek; Passarge, Louis; Ricken, Herbert; Wiórek, Marius; Ramm, Wieland. Herausgegeben von Ramm, Wieland. - Kaiserslautern : Technische Universität Kaiserslautern FB Massivbau und Baukonstruktion, 2004. - 224 Seiten, 205 meist farbige Abbildungen - 25 x 27 cm
ISBN : 3-00-014775-6
29,50 Euro