Mit diesen Anmerkungen habe ich vor, die Anhänger der Restauration der Straßenbrücke über die Weichsel zu unterstützen, die sie in der ursprünglichen Form oder zumindest in einer ihr annähernden erhalten wollen, auf jeden Fall aber mit den historischen Türmen. Lediglich die ältere Generation kann sich daran erinnern, was die Photos nicht wiedergeben können: an die Ansicht der märchenhaft aussehenden Reihe der Türme mit blauem Himmel im Hintergrund.
Die Architektur der Brücke wurde von dem Baustil der Jahre 1851-1857 ersichtlich geprägt. Aber es ist auch leicht zu erkennen, dass das Projekt unter dem Einfluss der flachen Landschaft, der großen Wasserebene der Weichsel, des langen eintönigen Horizontes, den die Linie des Dammes an der Lisewoer Seite bildet, entstanden ist. Eine einen Kilometer lange Brücke ohne Senkrechte Akzente und noch dazu mit einem dichten Metallgitter würde die Monotonie der Landschaft betonen, gäbe ein Zeugnis mangelhafter Phantasie der Architekten und derer, die mit dem Projekt einverstanden sind.
Die rekonstruierte Brücke mit den Türmen und Toren in ihrer ursprünglichen oder eventuell dezent modernisierten Form würde die nördliche Klammer für den Boulevard an der Weichsel bilden, der seit Jahren in Tczew geplant ist. Seine Süd-Klammer wäre die Brücke in Knybawa. Der Bau des Boulevards dauert zwar bereits seit der Vorkriegszeit, aber irgendwann wird der entscheidende Schritt in diese Richtung zweifellos getan werden.
Die Weichsel ist heute ein toter Fluss, im Vergleich sogar mit den ersten Jahren nach dem Krieg, als ab und zu, ein Schlepper ein paar bunte Barken mit oder gegen den Strom schleppte, während andere eine Pause auf dem Weg von Danzig nach Südpolen genossen. Heute kehrt die wirtschaftliche Bedeutung des Flusses wahrscheinlich nicht mehr zurück, deshalb sollte sein Gewässer für Tourismus und Erholung genutzt werden: für Wassersport, Wettbewerbe und diverse Feste am Ufer. Die Pracht der Brücke gäbe diesen Aktivitäten einen natürlichen Rahmen.
Viele Städte präsentieren ihre typischen Symbole mit begründetem Stolz: Paris - seinen Eiffel-Turm, Carcassonne - die mittelalterliche Stadtmauer, London - die Tower Bridge, San Francisco - die Golden Gate, etc. Tczews Symbole waren in der Vergangenheit, nebst dem charakteristischen Kontrast von zwei Kirchtürmen im Hintergrund: der mächtigen von der Pfarrkirche des Heiligen Kreuzes und der schmalen St. Georgs Kirche, gerade die Weichselbrücken, die weltweit bekannt waren. Vor dem ersten Weltkrieg waren sie derart beeindruckend dass, einer deutschen Geschichte nach, einige Reisende, die auf dem Weg von Königsberg nach Berlin waren, in Tczew ausstiegen und sich ins Bahnhofshotel begaben, in tiefster Überzeugung, sich in Berlin zu befinden! Kaum jemand weiß, dass Tczew einige Zeit nicht nur dank seiner Brücken bekannt war, sondern auch durch Zajaczkowo - einen der größten Umschlagbahnhofe Europas. Diese Tatsache und die Lage am Ufer der Weichsel hatten bei den Überlegungen, noch vor dem Hafen in Gdynia in Tczew einen Hafen zu bauen, eine bedeutende Rolle gespielt. In der Zwischenkriegeszeit wuchs der Rang der an Danzig grenzenden Stadt auch wegen des hier stationierten Schützerbataillons.
Zweifellos wäre die Brücke mit Türmen eine nicht nur in Nord-Europa seltene Sehenswürdigkeit, eine Visitenkarte, wenn man die Floskel anwenden darf, die den Namen der Stadt, die selbst in Polen nicht besonders populär ist, verbreiten würde. Man möchte fragen: Warum sollte Tczew das vernachlässigen, was noch gerettet werden könnte. Was bestimmt zu einem Bestseller würde, der einen verdienten Platz auf ähnlichen Ausstellungen finden würde, wie die in Düsseldorf, die gerade Brücken zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert präsentiert.
Es gibt noch einen Aspekt dieser Angelegenheit: Der Altstadt droht, von dem woanders entstehenden Zentrum verdrängt zu werden. Das Schicksal teilen bereits viele Altstädte. Die Brücke mit Toren, in denen Restaurants und Bars, sowie verschiedene Galerien arrangiert werden könnten, würde die Ecke an der Weichsel sicherlich beleben und die Achse des Kulturlebens der Stadt deutlich verlängern. Die Kosten der Restauration dürfen nicht allzu hoch sein, zumal die Fundamente der Türme schon fertig sind. Es spricht auch nichts dagegen, die Joche in ihrer historischen Form zu erhalten. Bei der heutigen Technik sollte dies kein unlösbares Problem sein. Die Restauration der Türmen könnte auf mehrere Jahre verteilt werden und nur ein kleines Team könnte mit der Aufgabe betraut werden. An den Kosten würden sich gewiss auch lokale Sponsoren beteiligen. Als Gegenleistung könnte man ihnen die Möglichkeit gewähren, ihre Läden und Werbung in die Tore der Brücke zu platzieren. In der Nachbarschaft eines wichtigen Bahnhofs wäre die Werbung wirksamer und der Verkehr in den Läden beachtlich, zumal die Brücke bei schönem Wetter ein wunderbarer Ort für Spaziergänger wäre, genauso wie dies nach dem Krieg die Brücke war, die von den Eisschollen 1947 zerstört wurde.
Es wurden hier nicht alle Gründe genannt, die für die Wiederherstellung der ursprünglichen Form der Brücke sprechen, aber meines Erachtens, würde es den Einwohnern der Stadt Sambors ein gutes Zeugnis des Verständnisses für die Werte ausstellen, deren Bedeutung mit der Zeit wächst, so wie die Bedeutung aller Zeichen der Vergangenheit. Die Entscheidungsträger der Stadt, wenn sie diese Initiative wahrnehmen, werden sich par excellence mit goldenen Buchstaben in die Geschichte von Tczew und der Welttechnik schreiben.
Prof. Dr. Stanislaw Mrozek
Gazeta Tczewska, vom 26.10.2000
Blick von Süden auf die Weichselbrücken bei Tczew bei Hochwasser. Im Hintergrund die Bögen der
neueren Eisenbahnbrücke. In der Bildmitte die zwei erhaltenen Turmpaare der Brücke von 1857.