Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.



Verbindung mit offenen Armen
eingehen

Ehemalige Zwangsarbeiter besuchen Witten

Witten • "Manchmal braucht es 50 oder 60 Jahre des War-tens, um Dinge verarbeiten zu können". 60 Jahre nach En-de des Zweiten Weltkrieges besuchte eine kleine Gruppe ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter auf Einladung des Freundschaftsvereines Tczew-Witten die Stadt Witten. In einem ökumenischen Gottesdienst der evangelischen Johanniskirche wurden die Gäste von Pfarrer Christian Uhlstein von der evangelischen Gemeinde und Pfarrer Pater Kasimir Zaranski von der katholischen St.-Vinzenz-Gemeinde begrüßt. "Es ist Frühling - und auch in den Wäldern der Stadt Tczew, in denen mehrere tausend Polen von den Deutschen verscharrt wurden, gehen die Menschen spazieren."

Pfarrer Uhlstein erinnerte zu Beginn des Gottesdienstes an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges: Das systematische Morden der polnischen Führungsschicht, die Auslöschung vom einem Fünftel der polnischen Bevölkerung durch die Deutschen Soldaten. Deutsche Soldaten, die ihrerseits großes Leid erfuhren, "indem junge deutsche Männer zu Mördern gemacht wurden". "Was uns heute verbindet, sind

Hoffnung und Zuversicht", so Uhlstein, "durch ihren Be-such aus Tczew zeigen unsere Gäste, dass sie heute bereit sind, eine Verbindung mit uns einzugehen - und wir kön-nen nur mit offenen Armen sagen: Willkommen in Witten."

Pater Kasimir Zaranski übersetzte den katholischen Gästen aus Polen den Gottesdienst in ihre Landessprache und erinnerte aus aktuellem Anlass und als ehemaliger Student aus Krakau an Papst Johannes Paul II., "der ein großes Vorbild für Versöhnung gewesen ist." Aus Anlass seines Todes legten die Gottesdienstbesucher eine Gedenkminute ein.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand auf dem Kom-munalfriedhof Annen eine Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung statt. In den kommenden Tagen werden die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter aus Tczew nun an weiteren Veranstaltungen eines öffentlichen Besuchs-programms der Begegnungswoche in Witten teilnehmen. - Julia Neumann
Ruhr Nachrichten, Witten. 4. 4. 2005

Legten an der Gedenktafel des Kommunalfriedhofs in Annen einen Kranz nieder: Mieczyslaw Gajewski, Tadeusz Guzy und Peter Liedtke.
RN-Foto: Zabka




Wittener
Friedensforum

in Kooperation mit dem

Freundschaftsverein Tczew - Witten e.V.


8. Mai 1945 / 2005 - 60 Jahre Kriegsende

Gemeinsam für eine

friedliche Zukunft

Gedenkveranstaltung mit ehemaligen
Zwangsarbeitern aus Tczew

Den Krieg und seine Ursachen verstehen, schafft die Voraussetzungen, neue Kriege zu vermeiden. Zwangsarbeit war im doppelten Sinne Mißbrauch menschlicher Arbeit: Die Menschen starben an den Arbeitsbedingungen, ihre Arbeit diente dem Krieg. Das gemeinsame Erinnern birgt heute die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.

Sonntag 3. April 11.30 Uhr

an der Gedenktafel
auf dem Annener Friedhof,
Dortmunder Straße

Es spielt der Posaunenchor der evangelischen Johannis-Kirchengemeinde


60 Jahre nach Kriegsende - Besuch ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter in Witten

Redebeitrag von Joachim Schramm für das Wittener Friedensforums am 3. April 2005 auf dem Friedhof in Witten-Annen

In diesem Jahr gibt es viele wichtige Jahrestage. Wir erinnern uns an den 200. Todestag von Friedrich Schiller, an den 50. Todestag des größten Physikers im 20. Jahrhundert, Albert Einstein, und vor allem an das Ende des 2. Weltkrieges am 8. Mai vor 60 Jahren. Jahrestage haben eine große Bedeutung für das politische und kulturelle Bewußtsein. Wir erinnern uns an die Geschichte und stellen Verbindungen zu unserer Zeit her.

Besonderes Interesse findet schon seit Wochen der kommende Jahrestag des Kriegsendes. Politiker äußern sich dazu, es gibt Filme und Fernsehsendungen zu dem Thema und auch Ausstellungen von Bildern. Einige Kreise widmen sich dabei vorrangig den eigenen, den deutschen Opfern des II. Weltkrieges. Doch historisches Interesse ist immer dann von Wert, wenn nicht nur das eigene Schicksal betrachtet wird. Vor allem eine Erkenntnis sollte diese Beschäftigung mit den damaligen Ereignissen bringen: Kriege sind nicht unabwendbar, Kriege sind keine Naturereignisse. Auch der II. Weltkrieg wurde von Menschen geplant, vorbereitet und bewußt begonnen. Opfer und Täter haben Namen, Kriege haben Ursachen. Dies heute zu benennen ist unsere Aufgabe. In aller Deutlichkeit ist dabei der Ausgangspunkt zu bezeichnen: Der II. Weltkrieg ging, unter faschistischer Führung, von Deutschland aus, erstes Opfer war Polen.

Die Durchführung des Krieges überstieg schon bald die deutschen Kräfte bei weitem. Es fehlte an Rohstoffen aber auch an Arbeitskräften. Deshalb wurden in den eroberten Ländern Zivilisten zwangsweise zur Arbeit in Deutschland verpfl ichtet. Außerdem setzte man Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Arbeit ein. In Deutschland wurde ein großer Teil der kriegswichtigen Industrieproduktion unter menschenunwürdigen Bedingungen durch die Zwangsarbeiter geleistet. In Witten war jeder fünfte Arbeiter ein Zwangsarbeiter, welche die zum Militärdienst eingezogenen Männer ersetzten. Aus all dem wird deutlich: Zwangsarbeit ist Kriegsarbeit.

Wir als Friedensforum sehen eine wichtige Verpfl ichtung darin, auf diesen Zusammenhang von Zwangsarbeit und Krieg hinzuweisen. Es hat einen schrecklichen Mißbrauch von menschlicher Arbeit gegeben, die nicht positiv zur Verbesserung des Lebens und seiner Bedingungen eingesetzt wurde, sondern im Gegenteil, zur Vernichtung von Leben. Viele der Zwangsarbeiter verloren ihr Leben, wie die, die hier begraben liegen. Aber auch der Ertrag ihrer Arbeit wurde für die Vernichtung von Leben, für den Krieg genutzt, wie hier in der Rüstungsfabrik in Annen. Darüber hinaus ist es uns ein Anliegen, in heutiger Zeit für die Erhaltung des Friedens einzutreten. Internationale Konfl ikte können am erfolgreichsten mit zivilen Mitteln beigelegt werden, wenn man Intelligenz und guten Willen dafür einsetzt. Krieg hingegen bringt Elend und Tod. Diese Erkenntnis scheint 60 Jahre nach Kriegsende auch in Europa wieder verloren zu gehen. Dem gilt es entgegenzutreten. Aus der geschichtlichen Erfahrung Deutschlands heraus lehnen wir jede Beteiligung an kriegerischen Militäreinsätzen entschieden ab. Diese Position wünschen wir uns auch für die zusammenwachsende Europäische Union.

Wenn man Krieg und seine Begleitumstände wie die Zwangsarbeit ablehnt, dann muß man Geschichte kennen. Für den Frieden eintreten kann man nur, wenn man in vollem Umfang versteht und in vollem Umfang wahrnimmt, was geschehen ist. Dazu hilft uns auch Ihr Besuch. Wir gedenken heute mit Ihnen der Opfer, die die faschistische Zwangsarbeit hier in Witten gefordert hat und von denen viele auch aus Ihrem Land hier begraben liegen. Auch Ihnen selbst ist damals Unrecht geschehen. Wir danken Ihnen, die Sie aus unserer Partnerstadt Tczew gekommen sind, nachdem Sie damals zwangsweise für Deutschland arbeiten mußten. Sie helfen uns mit Ihrer Anwesenheit und Ihrem Gespräch, die schrecklichen Ereignisse der Kriegszeit deutlicher zu sehen. Damit wird unser gemeinsames Erinnern zur Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft in einem zivilen Europa.





394 Zwangsarbeiter
überlebten Annen nicht

"Beschämend für uns Wittener" - Kranzniederlegung

394 Menschen starben in ihrer Zeit als Zwangsarbeiter im Annener Gussstahlwerk. 312 liegen auf dem Kom-munalfriedhof begraben. Männer, Frauen und Kinder. Wittener Gruppen gedachten ihrer am Sonntag mit einer Kranz-niederlegung an der denkwürdigen Stelle auf Wittener Grund.
An Vergessenes erinnerte Peter Liedtke, Vorsitzender des Freundschaftsvereins Tczew-Witten, auf dem Friedhof an der Dortmunder Straße.

Wo später die Zwangsarbeiter beerdigt wurden, war der jüdische Friedhof. 1938 wurde der von den Nationalso-zialisten geschändet. Die Auflage der Alliierten, diesen Ort würdig herzurichten, habe Witten selbst nach dem Krieg kaum erfüllt, so Liedtke. Er sieht das als Versuch des Verdrängens für etwas, das er "beschämend für uns Wittener" nennt. "Die Zwangsarbeiter wurden jeden Morgen vom KZ-Außenlager durch Annen getrieben. Jeder konnte sie sehen, nur dürftig gekleidet, ausgemergelt und geschwächt. Nach dem Krieg wollte sich daran niemand erinnern."

Das hat sich seit einigen Jahren verändert. Anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegs-endes gedachten nun die Tczew-Freunde, die Ev. Kirche, die Stadt und das Friedens-forum des Leides der Zwangsarbeiter. Stellvertretend für sie waren sieben ehemalige Lagerarbeiter bzw. KZ-Häftlinge aus Wittens Partnerstadt Tczew gekommen. "Ein Mensch ist arm, der nicht vergeben kann", sagte Dr. Kazimierz Badziag. Er war KZ-Häftling in Danzig, die anderen Gäste, u. a. Tadeusz Guze, Gajewski Mieczskiew, Kazimierz und Krystyna Zawadzki und Leon Borzyskowski Lagerarbeiter in Bayern, Hilfsarbeiter bei Stralsund. Badziag betonte: "Vergeben heißt nicht vergessen. Wir dürfen nicht vergessen, damit sich das nicht wiederholt." JN

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Witten. 4. 4. 2005

"Damit es nie wieder geschieht", dürfe man Nazi-Verbrechen nicht
vergessen, sagte Dr. Kazimierz Badziag. Foto: Liesenhoff




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