Eigenes Grab ausgehobenEhemalige Zwangsarbeiter aus Tczew berichten über ihr Martyrium |
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Witten - Sechs polnische Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges, alle ehemalige Zwangsarbeiter aus Tczew, sind seit Sonntag zu Gast in Witten. Um Interessierten die Möglichkeit des persönlichen Kennenlernens und der Kontaktaufnahme zu ermög-lichen, lud der Freundeskreis Tczew-Witten am Mittwoch zu einem Begegnungsabend in das Gemein-dezentrum der ev. Johanniskirche. "Das Programm der letzten Tage ist vor allem durch die aktive Mithilfe aller Beteiligten ein Erfolg gewesen", betonte Peter Liedtke, Organisator der Reise, in seiner Begrüßung. So hatten die polnischen Gäste die Möglichkeit, in der Otto-Schott-Realschule mit Schülern ins Gespräch zu kommen und von ihrem Schicksal zu berichten. "Ich bin sicher, dass diese Begegnungen zur Aufrecht-erhaltung des friedvollen Mit-einanders zwischen Deutschen und Polen beitragen werden," sagt Mieczyslaw Gajewski. ArbeitspflichtDer freundliche 75-Jährige, der jede Dame mit Handkuss begrüßt, hat zwei Brüder und eine Schwester verloren, nachdem seine Familie vom elter-lichen Hof vertrieben und deportiert wurde. Er selbst wurde zur |
Zwangsarbeit in der Landwirtschaft eingesetzt, musste Steine schleppen, die zur Uferbefestigung der Weichsel benötigt wurden. "Oft 15 oder 16 Stunden am Tag." Heute ist er Vater von sechs Kindern, 17 Enkeln und drei Urenkeln und lebt mit seiner Frau auf dem Land. "Die Reise nach Witten war sehr wichtig für mich. Ein sehr bedeutender Schritt," sagt er mit Tränen in den Augen. So sehen es auch die anderen. Dr. Kazimierz Badziag hat Abenteuer-liches erlebt. Aus einer Eisenbahn-erfamilie stammend, wünschte sich der damals 18-Jährige Schiffsbau zu studieren. Mit Ausbruch des Krieges unterlag er jedoch der Arbeitspflicht. Musste in Schmieden, einer Brauerei, auf Gutshöfen arbeiten, anstatt zu studieren. Wegen Devisenvergehen zur Unterschrift der deutschen Volksliste gezwungen, eingedeutscht und als polnisch-deutscher Soldat an die Front geschickt, wurde er schließlich aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Unter-grundorganisation verhaftet und verbrachte eine dramatische Zeit im Lager Stutthof bei Danzig. Von Typhus, Gelbsucht und den unmenschlichen Lebensbedingungen der Kriegsjahre gezeichnet, landete der entkräftete Mann schließlich in Dänemark " 24 Jahre jung und nur noch 37 Kilogramm "schwer". Heute |
lebt er als ehemaliger Lehrstuhl-inhaber für Physikdidaktik in Tczew und beeindruckt vor allem die Schüler durch seine Fähigkeit, Zuhörer lebendig in seine Geschichte einzubinden. Aus dem Haus getrieben So wie Krystyna Kunicka. Mit fester Stimme berichtet sie den Anwesenden ihre tragische Lebensgeschichte. "Wir waren eine glückliche Familie, bis uns die Wehrmachtsoldaten aus dem Haus getrieben und in ein Lager deportiert haben." Mit der Mutter zur Arbeit in einer Munitionsfabrik gezwungen, erfuhr sie vom Tod des Vaters, der von deutschen Soldaten hingerichtet wurde. "Mein Vater musste sein Grab selbst freischaufeln, wurde erschossen und verbrannt. Heute bin ich alt", sagt sie und freue sich, überlebt zu haben. "Lasst uns alles tun, um Frieden und Freundschaft zwischen unseren Völkern aufrecht zu erhalten, unser Leben ist sehr kurz."Mit einer Geschenkübergabe an die Gäste und dem guten Gefühl, einander näher gekommen zu sein, ging der Abend im Gemeindezentrum zu Ende und man war sich einig: "Die Ver-gangenheit war schlimm genug, lasst uns die Zukunft fröhlich gestalten." - june Ruhr Nachrichten, Witten. Freitag, den 8. 4. 2005 |
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