Freundschaftsverein Tczew-Witten e.V.





Dziennik Baltycki / Dziennik Tczewski 29.04.2005

Tczew-Witten

Sie fälschen die Geschichte nicht

In der ersten Aprilwoche war eine Gruppe älterer Tczewer Bürger in unserer Partnerstadt Witten zu Besuch. Diesen Besuch machten: Tadeusz Guzy, Kazimierz Badziag mit seiner Frau Maria Badziag, Leon Borzyszkowski, Mieczyslaw Gajewski, Krystyna Kunicka und Kazimierz Zawadzki. Ewa Zywiecka als Historikerin, Mitarbeiterin des Projektes und Übersetzerin begleitete die Besucher.

"Alles begann im letzten Sommer", erinnert sich Ewa Zywiecka, "zusammen mit Peter Liedtke, Vorsitzender des Freundschaftsverein Tczew-Witten, mit dem ich schon seit Jahren zusammenarbeite, beschloss ich, Erinnerungen älterer Menschen über den Krieg, die Okkupationszeit und die Vorkriegszeit aufzunehmen. Historische Bücher sind manchmal unvollkommen. Es passiert manchmal, dass sie die Wirklichkeit schief zeigen. Diese Erzählungen zeigen

das wahre Leben

und sind die wertvollste Quelle. Kommende Generationen können aus der Vergangenheit eine Lehre ziehen, um die Aggression, die Kriege verursacht, zu vermeiden." Diese Idee entwickelte sich zu einem größeren Projekt; dabei kam es auch zu einer Einladung der Senioren nach Deutschland. Dort wollten sie Schülern ihre Erlebnisse erzählen.
Die Polen wurden mit einem ökumenischen Gottesdienst unter Teilnahme eines evangelischen und eines katholischen Priesters begrüßt. Dann fand auf einem Friedhof eine Kranzniederlegung vor der Gedenktafel statt, die den Opfern des Konzentrationslagers in Witten-Annen gewidmet ist.
"Es ist Frühling, eine Zeit der Hoffnung. Die Natur erwacht zu neuem Leben. Im Wald in Szpegawsk, nicht weit von Tczew, blühen Anemonen. Am selben Ort, wo vor Jahren tausende polnische Zivilisten von Deutschen ermordet wurden. Die Natur ist weiterhin schön, die Blumen blühen, aber das Grauen bleibt, das sich mit diesem Ort verbindet" sagte Peter Liedtke.
"Wir gedenken heute zusammen mit Ihnen der Opfer des Nationalsozialismus. Wir danken Ihnen, die Sie aus unserer Partnerstadt gekommen sind, nachdem Sie damals selbst Leid erleben mussten." "Damit wird unser gemeinsames Erinnern zur Hoffnung auf

Frieden in Europa",

fügte Joachim Schramm vom Wittener Friedensforum hinzu.
"Der Mensch ist arm, wenn er nicht vergeben kann" sagte während dieser Begegnung Kazimierz Badziag, emeritierter Professor der Universität in Gdansk und ehemaliger Gefangener des Konzentrationslagers Stutthof.
Die Gäste aus Tczew wurden auch vom Vize-Bürgermeister zur Begegnung im Rathaus eingeladen. Dort bekam Peter Liedtke von Herrn Tadeusz Guzy, dem Vorsitzender des Vereins der polnischen Geschädigten des III. Reiches, das goldene Medaillon für die Unterstützung der Tätigkeit dieses Vereins.

In dieser Woche fanden täglich Begegnungen mit deutschen Schülern statt. Jeder Zeitzeuge hatte Gelegenheit, seine Erlebnisse zu erzählen und auf Fragen der Schüler zu antworten. Die Gäste wurden herzlich mit Blumen und lieben Worten empfangen. Eine dieser Schulen bereitete uns einen wunderschönen Empfang mit dem Auftritt ihres Chores.
"Ich muss gestehen, dass ich mich vor dem Besuch ein bisschen gefürchtet habe", sagt Ewa Zywiecka. "Der Teil der Geschichte ist ein schmerzvolles und sensibles Thema für beide Seiten. Menschen, die den Krieg erlebt haben, fällt es sicherlich nicht leicht darüber zu erzählen. Die deutschen Jugendlichen, mit denen wir uns getroffen haben, waren aber großartig. Sie haben aufmerksam zugehört und kluge Fragen gestellt. Wenn Kazimierz Badziag gefragt hat, warum wir Geschichte lernen, antworteten sie, damit dieselben Fehler nicht wiederholt werden. Ich meine, diese Erfahrung war wichtig für beide Seiten und gibt uns eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft und auf Versöhnung zwischen den Nachbarn. Die Grundlage der Versöhnung aber ist Erinnerung."

Diese Art des gemeinsamen Lernens fand in unterschiedlichen Schulen statt. auch Schüler im Mittelschulalter nahmen daran teil. Auch diese jungen Leute waren gut auf diese Thematik vorbereitet. Sie hatten die Nazizeit schon vorher mit den Lehrern besprochen. Die Jugendlichen aus einer der Schulen pflegen eine Gedenkstätte - ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald in Witten-Annen. Sie pflanzen dort Blumen und halten die Stätte in Ordnung.
Dieses Projekt ist nicht an Parteien und ihre Programme gebunden. Die Tczewer Bürger nahmen eine sehr wichtige Aufgabe wahr, nämlich die Warnung der Gesellschaft vor einer Wiederholung der Kriegstragödie. "Wir sind nicht zu euch gefahren, um anzuklagen. Wir wissen, dass ihr mit dem Krieg nichts zu tun habt. Wir erzählen euch die tragischen Ereignisse als Mahnung, damit sie sich nie wiederholen werden". Dies sagte Krystyna Kunicka den Schülern. Sie wurde durch den Mord an ihrem Vater der sorgenlosen Kindheit beraubt und ihre Mutter verlor ihren geliebten Mann. "Die jungen Leute waren zu uns sehr freundlich. Ich denke, darin zeigt sich auch die gute Arbeit der Lehrer. Sie denken schon anders, friedlich", fügte Ewa Zywiecka hinzu.

Die Gäste aus Tczew wurden vom evangelischen und katholischen Pfarrer auch zu einem Begegnungsabend mit Wittener Bürgern eingeladen. Sie fanden auch Zeit, die schöne Umgebung unserer Partnerstadt zu besichtigen.
"Ich freue mich, dass das Projekt verwirklicht wurde", sagt uns die Übersetzerin. "Ich bedauere nicht, dass ich diesem Projekt soviel Arbeit und Zeit gewidmet habe. Das war eine schöne, wichtige Idee und eine unvergessliche Erfahrung. Das war möglich wegen des großen Engagements von Peter Liedtke, der sich seit Jahren um die deutsch-polnische Versöhnung und Freundschaft bemüht. Ich bin ihm sehr dankbar. Ich danke auch herzlich allen polnischen und deutschen Freunden und den Teilnehmern des Projekts.

Jozef M. Ziolkowski. In: Dziennik Baltycki / Dziennik Tczewski, 29.04.2005





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