Anmerkungen zum Thema:

Zwangsarbeiter in Witten während
des zweiten Weltkrieges


... und plötzlich war da ein ehemaliges Außenlager des KZ Buchenwald nicht nur mitten in Witten, denn dort hatte es als Brachfläche schon lange Jahre weitgehend unbeachtet existiert, sondern auch im Bewußtsein der Wittener Öffentlichkeit.
- Vielleicht ist ja auch eine demokratische Gesellschaft nicht perfekt und muß sich jeweils erst die Reife erarbeiten, einen dunklen Fleck wahrzunehmen und anzunehmen. -
Von Seiten der Stadt Witten und ihrer politischen Vertreter war dieser Prozeß, der Bewußtwerdung der noch aktuellen Vergangenheit, befördert und begleitet worden. Seitdem befindet sich hier ein Gedenkstein und Gedenkveranstaltungen an diesem Ort sind eine Selbstverständlichkeit. pl

 







27. Januar 1997 Kranzniederlegung am Gedenkstein vor der Restfläche des ehemaligen
Außenlagers KZ-Buchenwald in Witten-Annen. (Foto: Fruck)











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aus der Wittener Presse:


Zwangsarbeit: Druck auf Firmen wächst

Stadtarchiv veröffentlicht Liste mit Namen

Das Stadtarchiv überarbeitet mit Hochdruck das Zahlenwerk zur Zwangsarbeit in Witten während des 2. Weltkriegs.
Hintergrund: Die Jewish Agency (Berlin) will den Druck auf Firmen verstärken, die sich nicht am Entschädigungsfonds beteiligen wollen. Zum Holocaust-Gedenktag legte Stadtarchiv-Leiterin Dr. Martina Kliner-Fruck gestern eine Zwischenbilanz vor.
Der Internationale Suchdienst zählte in seinen bis 1950 erarbeiteten CCP-Listen (Catalog of Camps and Prisons) 7260 Zwangsarbeiter im 2. Weltkrieg in Witten. 41 Firmen sind namentlich erwähnt. Die CCP-Listen, veröffentlicht 1990, sind im Ringen zwischen Opferorganisationen und Wirtschaft ein zentrales Argument.
Wie alle Städte bat die Jewish Agency auch Witten vor zwei Wochen um einen Abgleich mit eigenen Quellen. Die Datenbasis ist breit. Bereits 1946 forderten die Städte im UN-Auftrag - von Betrieben, Krankenhäusern und Bauern Auskunft über die Zwangsarbeiter. Diese alten Beschäftigungslisten füllen im Stadtarchiv zwölf Ordner. Einer konnte bisher mit den CCP-Listen abgeglichen werden. Das erste Augenmerk richtet sich auf Zwangsarbeiter aus Polen, Ukraine und Russland. Aus dieser Gruppe kamen in den letzten fünf Jahren verstärkt Anfragen - inzwischen sind es jede Woche vier. Betroffene brauchen Belege für ihre Rente. In 90 Prozent der Fälle, so Martina Kliner-Fruck, könnte das Archiv die Angaben der Ex-Zwangsarbeiter bestätigen.
Um die Firmen nicht unvorbereitet mit der Veröffentlichung zu konfrontieren, hat die Archiv-Chefin bei 13 Unternehmen angerufen, die noch in Witten greifbar sind. »Die meisten sagten, damit haben wir nichts mehr zu tun. Einige jüngere Chefs reagierten mit Betroffenheit.« Eine Firma erklärte, man wolle dem Fonds freiwillig beitreten. Wie sich das Gros der Unternehmen verhält, ist der Stadt nicht bekannt.
Die Stadt setzte im Krieg Hunderte von Holländern, Belgiern und Franzosen im Luftschutzbau ein, elf Polen und 89 Russen in Müllabfuhr und Straßenbau. Ihre Entschädigung soll über den Beitrag der öffentlichen Hand in den Opfer-Fonds laufen. joko

 

Zwangsarbeiter in Witten

CCP-Listen

 

Quellen Stadtarchiv

Nr.

Firma

1950/1990

 

Abgleich bis 26.1.2000

1

Gießerei Hammertal 60    

2

Dittmann & Neuhaus 250    
3 F. W. Wengeler 300    

4

Gew. Lothringen 250    

5

Gew. Klosterbusch 50    
6 Pleiger Buchholz 200    
7 Lager, Steinstraße 60    
8 Maschinenfabr. Korfmann 205   51 (PL)
9 Maschinenfabr. Hilmer 225    
10 Lohmann & Soeding 130   232 (UdSSR, PL)
11 Glasspinnerei Birkenbach 50   49
12 Nebel & Fritzsche 110    
13 Maschinenfabr. Geisler 120   120
14 Schulze-Vellinghaus 150   72 (UdSSR, PL)
15 Alexanderwerk 120   127 (UdSSR, PL)
16 Gußstahlwerk Annen 2150   1057
17 Gußstahlwerk Witten 1040   640 (UdSSR, PL)
18 Deutsche Tafelglas 90   100 (UdSSR, PL)
19 Kornbrennerei Lohmann 60   74 (UdSSR, PL)
20 Mannesmann-Röhrenwerke 290   301 (UdSSR, PL)
21 Friedrich Graff 75   78
22 Märkische Seifen-Industrie 100    
23 Bredt & Co. 60    
24 Gebr. Elbracht 80   78
25 Deutsche Fettsäure Werke 90    
26 Reichsbahn-Ausbesserungswerk 480   581 (UdSSR)
27 Reichsbahn-Bahnmeisterei 104 275   256 (UdSSR, PL)
incl. Oberbaustoff und Weichenlager
28 Reichsbahn-Bahnmeisterei Barop 120    
29 Maschinenfabr. Moll Söhne     63 (UdSSR)
30 Hermann Scharfen     23
31 Eisengießerei Schüren     42
32 Wickmann Werke AG     48
33 BEWA     9
34 Paul Rosenkranz     13
35 Ahrens & Kahle     14 (UdSSR, Pl)
36 Eisenwerk Böhmer     25
37 Nordwestdeut. Wachs- und Oel-Gesellschaft Dirk & Co.     11
38 Wilhelm Düchting     34
39 Rudolf König Annen    

14

40 Stadtverwaltung Witten
Stadtwerke
    11 (PL) + 89 russ. Kg.
13 Frz.+ 2 UdSSR
41 Fa. Wengeler & Kalthoff 70    
  Summe: 7260   4216

Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Witten, 28. 1. 2000




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Studie zählt schon 14 000 Zwangsarbeiter

Zwischenbilanz im Stadtarchiv


Fortsetzung von Seite 1

Das Stadtarchiv, das zuletzt, von 12 000 "gesicherten" Zwangarbeitern gesprochen hatte, geht jetzt von mindestens 14 000 Zwangsarbeltern in Witten und Herbede aus.

Dabei handelte es sich um etwa 10 000 Zivilisten und 4000 Kriegsgefangene, die zur Arbeit in etwa 40 Industrie-Untemehmen, 60 Handwerksbetrieben, Bau-Untemehmen, im Einzelhandel und bei über 50 Landwirten gedungen wurden. Der neue Forsrhungsstand geht auf die ehrenamtliche Arbeit von Dr. Ralph Klein (46) zurück. Er spricht von einer "vorläufigen und konservativen Schätzung". Der Wittener, Historiker an der Uni Dortmund, durchforstet die Ausländerregister von Witten und Herbede sichtet - soweit zugänglich - Firmenarchive und Lebensberichte.
Gegen Kriegsende lag Wittens Einwohnerzahl nach den Evakuierungen bei 55 000, dies hat Klein anhand der Lebensmittelkarten errechnet. Der Ausländeranteil an der Arbeitsbevölkerung betrug damals gut 50 Prozent. Klein geht von 120 Wittener Lagern für Zwangs- bzw. Zivilarbeiter aus.
Auch Gastwirte hatten daran verdient: Von 180 Kneipen hätten 60 als Lager gedient - angemietet vom Arbeitgeber.
Als unerwartetes Zwischenergebnis bezeichnet Klein, dass Zwangswbeiter sich "nicht nur als wehrlose Opfer des bösen Nazi-Regimes" gesehen hätten. Ungeachtet von Mangel und Todesdrohung hätten sie ithre Menschenwürde auf jede denkbare Art verteidigt. Zur Suche nach Normalität im Unrechtregime gehörten Unterhaltung und Brauchtum -"ja, die haben sich sogar gegenseitig beklaut!"
Die Lebenswirklichkeit der Zwangsarbeiter soll später vor allem in den Schulen vorgestellt werden. Gesucht werden dafür noch Fotos und Dokamente zur Zwangsarbeit in Witten. Das Stadtarchiv (Tel. 581-2415) bietet Firmen auch Auskunft darüber an, ob Vorgänger Zwangsarbeiter beschäftigt haben. joko

Wetdeutsche Allgemeine Zeitung. Witten, 9. 8. 2001






Schild "Ost" auf der Brust

Ex-Zwangsarbeiter berichtet


Das Stadtarchiv hat den Brief eines heute 77 Jahre alten Ukrainers veröffentlicht, der 1942 zur Zwangsarbeit verschleppt wurde. Auszüge (redigiert):

Von uns Ostarbeitern sind wenige am Leben geblieben. Uns hatten sie aus Bremen mit 61 Mann nach Witten zur Firma Lohmann gebracht, ins Lager Krumme Straße 29. Daneben war ein franzöisches Kriegsgefangenenlager. Es war x mal mit Stacheldraht umzäunt, daneben Wachtüme. Dort waren Polen, Belgier, Holländer, am Kriegsende auch italienische Matrosen. An unserer Brust trugen wir das Schild "OST". In unserem Lager waren der Stacheldraht und die Wache bis Ende 1943. Einmal wurde die Stadt Witten bombardiert, und das Lager brannte ab. Ab dann wohnten wir bis zum Schluss auf dem Werksgeläde der Firma Lohmann. Das waren schreckliche Tage. Die ganze Decke des Werks war durch Bomben zerstört.
Im August 1944 blieben ein Kommando von nur 25 Mann. Die anderen wurden nach Berlin geschickt, um Panzergräben zu machen. Am 8. 8. 1944 wurde Witten wieder bombardiert. Die Firma Lohmann und das Mannesmann-Werk nebenan wurden stark zerstöt. Der Direktor hat deshalb einen Herzschlag bekommen. Die amerikanischen Panzerjäger kamen am 10.4.1945. Am nächsten Tag der Sturm auf die Stadt Witten, am Abend war alles still.

Wetdeutsche Allgemeine Zeitung. Witten, 9. 8. 2001




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Zwangsarbeiter drangsaliert


Annen - "Es passierte hier, in Witten, in Annen", erklärte am Donnerstagabend der Historiker Dr. Manfred Grieger beim Stadtarchiv-Forum im ehemaligen Annener Amtshaus zum Thema Zwangsarbeit.
So sei es erstaunlich, so der Geschichtsforscher, der ausgiebige Archivrecherche über das KZ-Außenkommando in Annen betrieben hat, "dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis sich die Gesellschaft mit dem Thema der Zwangsarbeit auseinandergesetzt hat."
Rund 70 Interessierte waren gekommen, um Dr. Manfred Grieger zuzuhören. Der Historiker, der zurzeit für VW in Wolfsburg ein Werksarchiv aufbaut, referierte zum Thema "Außenkommando des KZ Buchenwald in Annen".
"Die 700 Insassen des Lagers, die fürs Annener Gussstahlwerk arbeiten mussten, kamen vornehmlich aus der Sowjetunion und Frankreich. Dabei reden wir nur vom Lager und seinen Insassen," schränkt der Historiker ein. In Witten selbst gab es weit mehr Zwangsarbeiter als jene KZ-Insassen in Annen. Insgesamt waren in der Ruhrstadt, ohne Herbede, 1944 zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung ausländische Arbeitskräfte.
Allein im Gussstahlwerk waren 47 Prozent der Mitarbeiter Ende 1944 Zwangsarbeiter. 30 der 700 KZ-Insassen, die nach Witten verlegt worden waren, kamen hier zu Tode, einige wurden im Laufe der Zeit wieder nach Buchenwald zurück geschickt. Erst das Arbeitsgemeinschafts-Projekt einer Schulklasse im Jahre 1984 brachte das Thema wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Über das Leben im Lager, so Grieger, sei erschreckend penibel Bericht geführt worden. Die Unterlagen lagerten zum Großteil im Wittener Stadtarchiv.
"Jedoch geben sie keine Auskunft über die Menschen. Was wir haben, sind Zahlen, Rechnungen, Arbeitspläne." Von den Erlebnissen der Gefangenen, die meistens Widerstandskämpfer oder Soldaten waren, berichten die Tagebucheinträge eines französischen Gefangenen.
So ist bekannt, dass die Zwangsarbeiter bei der der Ankunft in Witten am 17. September 1944 von Kindern mit Steinen beworfen wurden. Von den Wächtern wurden sie drangsaliert und oft mit unsinnigen Arbeiten beschäftigt.
"Sie waren im Geflecht der SS kleine Lichter. Viele von ihnen waren bereits vor 1933 Mitglieder der Organisation. Sie haben nie etwas anderes als das Bewachen gelernt." Bestraft wurde keiner von ihnen. Das Lager wurde vom 28. auf den 29. März 1945 aufgelöst. 610 Männer überlebten. lukRuhr Nachrichten (Witten) Samstag, 19. Januar 2002




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87 Wittener nach Auschwitz verschleppt

Annen - Trotz heftigem Nieselregen versammelten sich gestern rund 60 Bürger am Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Buchenwald zu einer Veranstaltung anlässlich des Holocaust-Gedenktages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus.
Dem Tag, an dem vor 58 Jahren die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz nahe der polnischen Stadt Oswiecim befreite. Zu der Gedenkveranstaltung hatten die Stadt Witten, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und der Freundeskreis der Israelfahrer eingeladen. Über die Hälfte der Teilnehmer waren in diesem Jahr Schüler der Rudolf-Steiner-Schule an der Billerbeckstraße sowie der Overbergschule.
Junge Teilnehmer Dass vor allem junge Menschen - die vierte Generation also - die Gedenkveranstaltung aktiv mitgestalteten, begrüßte Bürgermeister Klaus Lohmann ausdrücklich. Er erinnerte in seiner Ansprache an die Wittener Familien und Einzelpersonen jüdischer Herkunft, die zwischen dem 28. Oktober 1938 und dem 29. September 1944 in das Ghetto von Riga, nach Zamosc im Distrikt Lublin in Polen, nach Theresienstadt, nach Auschwitz und in die Arbeitslager Kassel-Bettenhausen und Weißenfels deportiert wurden.
Wer die Transporte überlebte, der wurde am Ankunftsort je nach Aufnahmekapazität der Lager und nach dem aktuellen Bedarf der umliegenden Rüstungsbetriebe in die dortigen Ghettos oder Lager eingewiesen. Die als nicht arbeitsfähig eingestuften Deportierten ermordete man meist durch Massenerschießungen oder in den Gaskammern der Vernichtungslager. 87 jüdische Menschen, die in Witten geboren wurden und hier gelebt haben, wurden nach dem derzeitigen Stand der Stadtgeschichtsforschung nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten.
Darüber hinaus verschleppte man eine bisher noch nicht bekannte Anzahl von Männern, Frauen und Kindern aus dem sogenannten Zigeunerlager im Dorneywald in Stockum nach Auschwitz-Birkenau. Sie wurden dort direkt in den Gaskammern ermordet. "Einen Ort des Gedenkens in Witten zu etablieren - das war das Anliegen der Stadt trotz immer wieder artikulierter Bedenken gegen feste Gedenktage", betonte Klaus Lohmann.
Vier Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule fanden gestern mit den Gedichten der im polnischen Czernowitz geborenen Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger eine Form, ihre Gefühle und Gedanken zu diesem Tag im Land der Täter auszudrücken. Lyrik, die den Nerv der Jugendlichen trifft. Ein Gedicht, das sie als 15-Jährige schrieb, heißt schlicht: "Ich möchte leben." ssl
Ruhr Nachrichten. Witten, 28. 1. 2003




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Verborgene Gedenkstätte


ANNEN - Im Verborgenen liegt bislang die Gedenkstätte auf dem ehemaligen Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Buchenwald. Das Mahnmal an der Immermannstraße macht sogar einen verwahrlosten Eindruck. Über 15 000 Zwangsarbeiter waren dort ab 1941 auf 20 000 Quadratmetern unter unwürdigsten Bedingungen gefangen. Nach dem Krieg geriet das Lager in Vergessenheit. Die letzte Baracke wurde 1958 abgebrochen. Schüler des Albert-Martmöller-Gymnasiums erfuhren 1984 bei einem Besuch in Buchenwald zufällig über die Existenz des Wittener Außenlagers.
Sie recherchierten selbst nach und brachten so den Stein ins Rollen. 1986 kaufte die Stadt das Gelände an der Immermannstraße. Die Stadt plante sogar, auf dem Gelände ein Mahnmal zu errichten. Bei dem Ideenwettbewerb setzten sich Walter F. Fischer und Harald Walter durch. 2,20 Meter hohe Betonwürfel sollten dauerhaft an die Außenstelle erinnern.
Umgesetzt wurde und wird der Entwurf nicht. "Wir hätten der Brutalität ein Denkmal gesetzt", hält Denkmalpfleger Martin Jakel diesen Entwurf heute für nicht gelungen.
Die Gedenkstätte soll vielmehr überwiegend so bleiben, wie sie ist. Nur sauberer. Der aufgetragene rote Ziegelsplitt muss erneuert , die Flächen in regelmäßigen Abständen gesäubert werden. "Das Bodendenkmal darf nicht untergehen. Wir müssen aufpassen, dass kein Gras darüber wächst", will Jakel die Gedenkstätte aufwerten.
25 000 Mark bekamen 1992 die vier Wettbewerbssieger. Heute fehlen 10 000 Euro, um die Bepflanzung und Pflege zu sichern. "Einmal im Jahr eine Schulklasse zum Aufräumen über das Gelände jagen, reicht sicher nicht. Wir müssen uns fragen, warum dieses Gelände zu einer Dreckecke geworden ist", fand Klaus Riepe beim Annener Planungstreff klare Worte. Martin Wachhold

Ruhr Nachrichten. Witten, 25. 1. 2003




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Suchdienst dankt dem Stadtarchiv

Hilfe bei der Erfüllung des humanitären Mandats


(red) "Große Hilfe bei der Erfüllung des humanitären Mandats": Internationaler Suchdienst bedankt sich beim Stadtarchiv Witten
Witten.

Der Internationale Suchdienst in Arolsen, ITS, hat sich jetzt in einem Schreiben ans Wittener Stadtarchiv für die Unterstützung und freundliche Betreuung bei der Suche nach Unterlagen über Ausländer, die während des Krieges und in der unmittelbaren Zeit danach bei uns in Witten registriert wurden, bedankt.
"Die durch Ihre Hilfsbereitschaft erhaltenen Aufzeichnungen stellen eine wertvolle Bereicherung unseres Dokumentenbestandes dar und bedeuten für den Internationalen Suchdienst eine große Hilfe bei der Erfüllung seines humanitären Mandats . ... Im Namen der ehemaligen Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes sprechen wir Ihnen unseren nochmaligen Dank aus", heißt es in dem Schreiben wörtlich.
Der ITS gibt Überlebenden ehemaligen Verfolgten oder deren Hinterbliebenen Auskünfte über deren Zwangsarbeit, Inhaftierung bzw. Aufenthalt während des "Dritten Reiches".
"Die Betroffenen können damit ihre Renten- und Entschädigungsansprüche geltend machen", erklärt Dr. Martina Kliner-Fruck, Leiterin des Wittener Stadtarchivs. Außerdem dienen die Auskünfte noch der Klärung von Staatsanghörigkeiten, Erbschaftsangelegenheiten und Kriegssterbefällen.
Das Stadtarchiv hat dem ITS die Wittener Unterlagen zur Auswertung und Reproduktion überlassen. "Die Quellenlage ist in Witten im Vergleich zu anderen Städten außergewöhnlich ergiebig - in der Vergangenheit konnten personenbezogene Anfragen des ITS zu 80 Prozent positiv beantwortet werden", berichtet Dr. Kliner-Fruck.
Da die umfangreichen Wittener Bestände hier jedoch aus Kostengründen, Personalaufwand und Sachkosten, zum großen Teil nicht weiter systematisch erschlossen und magazintechnisch bearbeitetet werden können, wurde vereinbart, dass ein Team des ITS die relevanten Bestände vor Ort sichten kann.
Dem ITS wurde zudem eine Liste mit Namen und Daten von 13 351 Personen nichtdeutscher Herkunft zur Verfügung gestellt, die während des 2. Weltkrieges hier gemeldet gewesen sind.
Das Stadtarchiv erhält im Gegenzug Duplikate als Sicherheitsverfilmungen, die bisher aus den Budgetmitteln des Archivs nicht finanzierbar waren.

Witten Aktuell. Samstag, den 8. Mai 2004





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Gedenkstätte erinnert an Tod und Zwangsarbeit


"Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz stehen wir hier vor der Restfläche des ehemaligen Außenkommandos Buchenwald in Annen." So begann Klaus Lohmann gestern seine Gedenkrede im dichten Schneetreiben.

Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Witten erinnerte daran, dass mitten in der Untergangsphase des NS-Regimes von September 1944 bis April 1945 hier über 700 Männer aus dem KZ Buchenwald untergebracht waren, um Zwangsarbeit für die deutsche Kriegswirtschaft im Gussstahlwerk Annen zu leisten.

Es war Mitte der 80er Jahre, als eine Klasse des Martmöller-Gymnasiums die Existenz des Außenlagers öffentlich machte. Es folgte ein Auftrag der Stadt Witten an die Historiker Klaus Völkel und Manfred Grieger, die Geschichte des Lagers und der Zwangsarbeiter aufzuarbeiten. Auf der Fläche an der Ecke Westfeld-/Immermannstraße entstand die Gedenkstätte, an der gestern Mittag auch viele junge Wittener der Opfer gedachten.

Vor der Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung im Freien hatten hunderte Wittener, davon ein Großteil Schüler/innen, die Annener Erlöserkirche gefüllt. Sie waren gekommen, um einer Holocaust-Überlebenden und deren Erinnerungen zu begegben. Esther Bejarano, 1924 in Saarlouis geboren, las aus ihrem Buch "Wir leben trotzdem: Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden". Ihre Eltern wurden 1941 nach Riga deportiert und dort erschossen, sie selbst musste im KZ Auschwitz als Mitglied des "Mädchenorchesters" den Zug der Häftlinge musikalisch begleiten. Beim "Evakuierungsmarsch" konnte sie fliehen und 1945 ins damalige Palästina auswandern.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Witten, 27. 1. 2005






Geschichtsstunde hautnah


Annen - Diese Geschichtsstunde werden sie ihr Leben lang nicht vergessen: Die über 500 jungen Leute, die sich gestern zum Gedenken an diesem 27. Januar 2005 in der Erlöserkirche Annen einfanden. Zusammen mit Esther Bejarano, einstmals Häftling Nr. 41948 im Vernichtungslager Auschwitz.

Auf Einladung des Stadtarchivs und anderer Veranstalter kam die Shoah-Überlebende, die heute in Hamburg lebt, nach Witten. Ebenfalls anwesend Dieter Stern, der als Dreijähriger mit seinen Eltern aus Witten vertrieben wurde. Nach der Begrüßung der Schülerschar durch Pfarrer Klaus Humbert sowie Stadtarchivarin Dr. Martina Kliner-Fruck gab Birgit Gärtner, Journalistin und Mitstreiterin von Esther Bejarano, erste Einblicke in deren Lebensweg.

60 Jahre nach Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sind die Schrecken der Nazizeit im Kirchenraum nachhaltig spürbar, als die kleine, grauhaarige Dame zu erzählen anfängt. Mit klarer Stimme und noch klareren Worten. Von damals, als sie 1941 in das Zwangsarbeiterlager Neuendorf verschleppt, dann am 20. April 1943 nach Auschwitz deportiert wird, eingepfercht in Viehwaggons, ohne Toilette, ohne Wasser, ohne Frischluft. Eineinhalb Tage dauert die Fahrt. "Wohin" - Das wissen die Deportierten noch immer nicht. "Als wir ankamen, baten uns Männer in Zivil, gar nicht mal unhöflich, auszusteigen. Schwangere, Schwache und Kranke wurden ausgesondert und mussten auf Lieferwagen klettern. Daher haben wir gedacht, das kann hier gar nicht so schlimm sein, wenn sie die Gehbehinderten sogar ins Lager fahren", schildert die Seniorin die ersten Eindrücke vom KZ. Doch kurz darauf kommt die schreckliche Erkenntnis. Nach entwürdigender Prozedur in der "Sauna", wo sich alle Ankömmlinge unter den Augen der SS-Männer und -frauen nackt ausziehen und unter die eiskalte Dusche müssen, kahl rasiert werden und in den linken Arm die Häftlings-Nummer eintätowiert bekommen. ""Mein Gott, wo sind die ganzen Menschen" dachte ich beim Anblick meiner Ziffer 41948", offenbart die jetzt 81-Jährige ihre damalige Bestürzung. In der Erlöserkirche ist spürbar, wie nahe den Schülern das soeben Gehörte geht. Kein Räuspern stört, kein Rascheln, kein Knistern. "Von da ab waren wir nur noch Nummern. Jetzt wussten wir hundertprozentig, dies ist kein Arbeitslager", erzählt Esther Bejarano weiter.

Schlimmste Schikanen folgten. Die Frauen mussten auf den Feldern Riesensteine von rechts nach links schleppen. Am nächsten Tag von links nach rechts. "Vernichtung durch Arbeit, das war deren Devise", erfuhr die damals 18-Jährige schnell am eigenen Leibe. "Und wäre das so weiter gegangen, hätte ich Auschwitz nicht überlebt", weiß sie. Ihr Glück war, dass das KZ ein "Mädchen-Orchester" bekommen sollte und ihr weiteres Glück, dass sie Klavier spielen konnte.

"Allerdings, es gab nur Verwendung für eine Akkordeon-Spielerin und da habe ich behauptet, ich kann das. Und durch gutes Gehör habe ich die Akkorde gesucht und gefunden. Aber als ich der Aufseherin das Lied ,Du hast Glück bei den Frauen, bel ami´ vorspielen musste, bin ich sicher, sie wusste, dass ich niemals zuvor ein Akkordeon in der Hand gehabt hatte. Sie nahm mich trotzdem." Dadurch genoss Esther Bejarano Sonderprivilegien, die für "Funktionshäftlinge" üblich waren. Ein eigenes Bett.

"Das Musizieren für die Arbeitskolonnen morgens und abends und später für die ankommenden Zugtransporte war eine große psychische Belastung. Die Ankömmlinge winkten uns zu, doch wir Mädchen wussten genau, diese Menschen werden ins Gas geschickt. Wir spielten mit Tränen in den Augen." - Lisa Timm

Ruhr Nachrichte, Witten, 27. 1. 2005




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"Begegnungen zum 60. Jahrestag der Befreiung"
Zeitzeugen berichten. -
Besuch ehemaliger Zwangsarbeiter aus Tczew in Witten


Dr. Badziag, der von 1943 bis zur Befreiung 1945 Häftling des Konzentrationslagers Stutthof
an der Ostsee war, vor dem Gedenkstein am ehemaligen Aussenlager des Konzentrationslagers
Buchenwald in Witten-Annen.

Informationen zur Begegnungswoche vom 2. bis zum 9. 4. 2005 in Witten






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